Die Riot Girls machen einen Aufstand in den Strukturen des Musik-Geschäfts

Mein SPEX-Grundsatzartikel über Riot Grrrl

(aus: Zungenkuss, Du nennst es Kosmetik, Du nennst es Rock`n Roll, Suhrkamp 2006)

 

»Bisher habe ich immer nur von Jungs gesprochen, aber natürlich gehören zur Jugend und zur Subkultur auch Mädchen«, schreibt der englische Rocksoziologe Simon Frith auf Seite 262 in seinem Standardwerk ›Jugendkultur und Rockmusik‹. In Greil Marcus’ ›Mystery Train‹ tauchen Mädchen nur als Fußnote auf, was der Autor so kommentiert: »Ja, das Auslassen von Frauen ist ein gedankenloser, ich wollte sagen ›sexistischer‹ Fehler, aber das Wort ist zu schwach dafür. Ich hätte zu mir sagen müssen – das Buch ist falsch, es muß neu überdacht werden und das nicht nur in Form eines Alibikapitels.« Die amerikanische Rockjournalistin Ellen Willis, fühlte sich anhand der immer wiederkehrenden anti-feministischen Backlashs herausgefordert, das von ihr in den 60er Jahren entworfene »Identifikationsmodell« zurückzunehmen: »Früher dachte ich, daß man die freiheitlich negationistische Form des Rock ’n’ Roll gegen seine anti-weibliche Strukturen richten könnte. Mittlerweile sehe ich aber, daß Identifikationen komplizierter verlaufen – und noch keine Ankoppelung an eine Musik-Produktion gewährleisten.«

 

 Ganz normal abwesend

 

Frauen fallen in den Machtstrukturen des Musikbusiness vor allem durch ihre Anwesenheit, nicht aber durch ihre viel gewöhnlichere Abwesenheit auf. Paradoxerweise müssen sie aber anwesend sein, um so etwas wie Abwesenheit überhaupt artikulieren zu können. Und die Artikulation stellt sie vor die Schwierigkeit unmittelbar von den eigenen Erfahrungen abstrahieren zu müssen.

Und dabei auch noch in den Kategorien von »Solidarität« (oder moderner gesagt: »Networking«) zu agieren – und das innerhalb dieser eitlen Kontexte, in denen androgyne Identitäten und post-feministische Ideologeme schon von Anfang an auf den Befreiungsrechnungen standen.

Klingt kompliziert, und das ist es auch.

So wird verständlich, warum Musikerinnen (klammert man das Phänomen »Pärchenband« mal aus) immer eher vereinzelt auftreten, egal welche (ausgeklinkten oder harmonischen ) Identitäts-Spielereien sie auch auffahren. Zumal Musikerinnen in der Branche und in der Presse ohnehin am liebsten als Einzel-Phänomene oder Ikonen wahrgenommen werden; während ihre völlig unterschiedlichen musikalischen Ansätze dann regelmäßig in schrottigen »Women in Rock«-Features nivelliert werden.

So ergibt sich also das Dilemma: nicht auf »Frau« reduziert werden zu wollen, sich zu diesem Zweck aber als Frau zu identifizieren. Oder mit den Worten des vielgeschmähten traditionellen Feminismus: »Befreiungsidentitäten sind auch Unterdrückungsidentitäten.«(Helma Lutz)

Und somit wären wir auch schon bei den Riot Girls, den nordamerikanischen Aufstandsmädchen, die gerade eben, und gerade jetzt noch, und ohne die kommerziellen Begleit-Töne der popkosmetischen Unterhaltungsabteilungen, ihre eigene Bewegung gestartet haben! Um auch mal so etwas wie eine authentische Mädchenjugendkultur zu leben. Und nicht immer nur das Mädchen zu sein, das hinten auf dem Moped sitzt.

 

Wie ein Donnergrollen

 

So sehnte sich zum Beispiel Jen Smith genau jene von Helma Lutz angezweifelte Befreiungsidentität herbei, als sie angesichts des hysterischen Medientrubels um die (auch über HipHop ausgelösten) »L.A. Riots« eine sarkastische Bemerkung in die Rockgirls-Runde warf: Mädchen könnten auch mal einen Aufstand gebrauchen. Einen friedlichen!

»We need a Grrrl Riot« wird sie wörtlich zitiert. Und »Grrrl« schrieben die Protagonistinnen am liebsten gleich mal wie ein Donnergrollen oder ein Knurren. Mittlerweile haben die Wogen sich wieder geglättet, denn sooo viel Öffentlichkeit wollten Jean Smith, Kathleen Hanna, Allison Wolfe & Co dann auch wieder nicht.

Aber ein konstruktives Riot-Girl-Netzwerk war ohnehin schon gebildet, denn das Bedürfnis nach einem Austausch darüber, was es bedeutet, in der modernen Welt ein Mädchen/eine Frau zu sein, war so groß, daß sich in Schulen und Colleges schnell entsprechende Gruppen bildeten, die Konferenzen abhielten. Um nichts anderes zu tun, als das, was musikinteressierte Jungs schon immer getan haben: die eigenen Bedürfnisse zum Ausdruck bringen, Fanzines und Bands starten. Sich nicht von vorneherein als Ware mißbrauchen lassen.

 

Anti-Anti-Essentialismus

 

Die am direkten Mädchen/Frauen-Austausch orientierte Idee »Riot Girl«, fand in Amerika schnell Befürworterinnen innerhalb von universitären Kontexten. Denn was die 18- bis 25jährigen Protagonstinnen wollten, wurde dort schnell von seitens der Cultural Studies (hierzulande als »Marginalisierungsdebatten« wahrgenommen) als »strategischer Essentialismus« oder »Anti-Anti-Essentialismus« vereinnahmt. Strategischer Essentialismus bedeutet: Man nimmt eine Identität an, auf die man im Alltag sowieso zurückgeworfen ist, und entgeht so u.a. der drohenden Vereinzelung und vielleicht sogar der Zuschreibung selber. Und apropos Vereinnahmung: Es ist ja gar nicht so üblich, daß Frauen, die im Musikgeschäft etwas Neues wagen, überhaupt vereinnahmt werden. Denn während man bei Male Rebels meist die rebellische Geste kauft, sind es bei Frauen natürlich die schönen passiven weiblichen Attribute.

 

Innovation

 

Innovativ durften/konnten sie nur in den seltenen Fällen sein: so z.B. die Slits, Raincoats, Malaria, X-Ray-Spex, quasi die Früh-80er-Vorläufer von Riot Girl, die sich aber nicht über einen gemeinsamen Zusammenschluß definierten, sondern eher das Konkurrenz-Prinzip lebten – und die an ihrem Auftreten das männliche Prinzip betonten, anstatt das Weibliche.

Selten jedenfalls ist ein Musikstil, der außerhalb der Identitäts-Skala der Frauen lag, (Sängerin, Chanteuse, Songwriterin), von ihnen durchgesetzt oder mitbestimmt worden. Musikerinnen, besonders Sängerinnen, finden sich vor allem dann, wenn eine bestimmte Musikrichtung gerade eben als avanciert in den Mainstream aufgenommen wurde, und Innovation eher als Versatzstück , kleine Revolte, Pop-Art-Spielerei auftritt, wie z.B. bei: Blondie/Hazel O’Connor (New Wave), Ideal (NDW), Salt ’n’ Pepa (HipHop), Neneh Cherry, Betty Boo (Club/Pop-House) etc.

 

Too Stupid To Be Cool

 

Wie kann der Versuch, ästhetische Fasziniertheit und mediale Aufmerksamkeit hervorzurufen, sich also mit Glam so zu versehen, daß viele daran teilhaben wollen, aussehen, wenn Pop, Glam, »das Ästhethische Modell« sind, die bisher für Frauen weder Kollektivität noch Innovation garantierten? Die Riot Girls erproben den umgekehrten Weg: »We’re too ugly and too stupid to be cool«, gab Jo von den englischen Huggy Bear zu Protokoll – um so gerade neue Wege für Coolness auszutesten!

Und das ist das Ende von »Girlism« as we know it!

Denn das popistische Modell »Girlism« (»I’m so happy cuz I’m so stupid«) trotzte gerade der unbekümmerten Annahme der Bedingungen einen flüchtigen Spaß ab. Die Verweigerungshaltung der Riot Girls kommt indes durch die Nicht-Annahme der Bedingungen zustande; der Spaß besteht darin, den spaßigen Charakter des Pop-Spiels nicht mehr lustig zu finden. Vielleicht auch, weil der Spaß der anderen nicht unbedingt der eigene Spaß ist.

 

Die Gemeinsamkeiten der Riot-Girl-Bands wie Bikini Kill, Huggy Bear, Bratmobile, Chia Pet, The Muffs, 7 Year Bitch etc. zu Punk sind unüberhörbar.

Die meisten von ihnen gründeten sich nach Konzerten von den Bands L7, Lunachicks, Hole und Babes in Toyland, deren klassische Rock ’n’ Roll-Zutaten von den eher puristischen Riot Girls genauso hinterfragt wurden, wie deren mädchenhaft provokanter Babydoll-Hochzeitskleid-Albtraumblümchen-Style. Die Musik der Riot Grrls klingt so, als wollten sie sagen: Wenn den vorhandenen Modellen die Geschichtlichkeit abhanden gekommen ist, dann fangen wir doch einfach noch mal von vorne an. »Punk als Menschenrecht, wie Kaffeetrinken, Reden und Schlafen«, kommentierte Christoph Gurk in seiner Rezension zum ›Stars Kill Rock‹-Sampler, der wiederum als Nachfolgeprogramm zur letztjährigen Fem-Trash-Punk-Compilation ›Kill Rock Stars‹ lief. Die hier verhandelten Bands haben sich auf diesen Samplern, in unangestrengtem Nebeneinander mit lokalen Größen (und solchen, die es im Herzen immer noch sind: Nirvana und Jad Fair), eine Plattform geschaffen, von der aus sie gemeinsam sprechen. Auch der unter diesen Aspekten kaum berücksichtigte ›Freedom Of Choice‹-Sampler war Teil dieses Kampagnenfeldes.

 

Learning by doing

 

Weitere Gemeinsamkeiten mit historischem Punk: Ablehnung der Kulturindustrie, ein betont aus Hässlichkeits-Utensilien zusammengestöpselter Look, Zeitdruck, Learning By Doing, Growing Up in Public bei gleichzeitigem Lesbarmachen des Hypes, Darstellung von aufgeritzter, zerrissener, tätowierter Körperlichkeit, Überspitzung und Vorführen von Porno-Industrie am eigenen Leib (was Madonna in die Medien einschrieb, schreiben sie sich zurück auf den Körper).

In Lyrics und Live-Performance versuchen sie Themen wie sexueller Mißbrauch, Ess-Störungen, Medienmacht, Schönheitswahn aus der medialen Umklammerung zu lösen, tragen insturmentalisierten Intimitätsterror ab, indem sie »das Intime« erst mal wieder im kleinen Kreis (im florierenden Fanzine-Netwerk) neu codieren.

Sie haben keine Theorien. Riot Girl hat im Grunde weniger mit Anschluß an universitäre »Cultural bzw. Women Studies«-Programme zu tun als angenommen wird. (Die Village Voice, die es eigentlich besser wissen müßte, vermutete bereits ein Komplott: »Riot Girl ist doch bloß ein Konstrukt von Uni-Leuten, die keinen Musik-Bezug haben, dafür aber jede Menge Beziehungen zu Kopiermaschinen und feministischen Lese-Listen.«) Die Mädchen in den Bands und ihre wachsenden Anhängerinnen, sind jedoch meist noch gar nicht auf dem College, und für viele ist ein Universitätsabschluß auch gar kein Ziel.

Sie sind mehr getragen von so einem Gefühl, »daß hier alles ziemlich falsch läuft« (Bratmobile), verstehen sich als Reaktion auf das innenpolitische Klima im Amerika der Gegenwart (p.c. in allen Talk-Shows; Reformprojekte; das Wahljahr, das »Change« versprach und an der zunehmenden ökonomischen Verwüstung nichts ändern konnte, der Clarence-Thomas-Freispruch vor laufender Kamera).

 

Zur Ware Werden

 

»Das einzige Buch, das die vielleicht gelesen haben, ist Susan Faludis Backlash-Bestseller«, vermutete die New York Times. Muß man Rock-Musikern vorrechnen, welche Bücher sie gelesen haben? Es ist überhaupt bezeichnend, daß sie sich an wüsteren Formen von Rock ’n’ Roll orientieren. Schließlich war Punk die erste ausdrücklich anti-sexistische Form von Rockmusik, die Konsequenz aus der Hippie-Ideologie der sexuellen Befreiung vor allem das »Zur-Ware-Werden« von Sexualität. Liebestexte und Romantizismus wurden zur Nebensache erklärt. In der Nach-Punk-Ära gab es mit einem Mal eine Reihe von Bands, die zu großen Teilen aus Frauen bestanden: Au Pairs, Raincoats, Malaria, Mo-Dets, Carambolage etc., die nicht die gelebte Identität »Frau« in den Vordergrund stellten (und die Slits waren eine der ersten Bands, die das totale Loslösen von bisheriger Musik-Geschichte als Punk-Programm ästhetisch verkündeten).

 

Lipstick-Feminismus

 

Die Riot Girls hingegen hadern eher mit dem negativen Bild der »Feministin«. Exene Cervenka von X gründete den Zusammenschluss »Bohemian Woman’s Politically Alliance«, der das Ziel verfolgt, bohemistische Identitätskonzepte auch mal (lipstick-)feministisch zu begründen, um »das Schreckensmodell der altfeministischen Frauengruppe« zu umgehen. Eine mögliche Theoretisierung dreht hier schon mal die erste Runde. Die US-Massenblätter, die reihenweise Coverstories vergaben, tauften das neue Kind »Anti-post-feministischer Lipstick-Feminismus«. Sobald neue Namen nur noch vermittelte etablierte Identitäten festigen, geht es, frei nach der konstruktivistischen Theoretikerin Judith Butler, darum sie wieder loszulassen.

Doch ist die Riot-Girl-Identität schon so gefestigt?

 

Women-Only-Gigs

 

Der Medien-Hype, der sich nichts zurechtkonstruierte, sondern wie üblich eine bereits existierende Underground-Szene pushte, wurde in England vom Massen-Weekly NME übernommen, der die Hype-Rechnung jedoch ohne seine Leser gemacht hatte: Als Huggy Bear und Hole ein Konzert gaben und nur Frauen Eintritt gewährten, die symbolische Kraft von separatistischen Konzepten austestend, war der Unmut groß: Wochenlang hagelte es böse Leserbriefe. In Coventry gründete sich »The Penis Brigade«, die die Beteiligten mehrmals auf die ökonomische Seite ihres Unternehmens hinwies: »Wenn Huggy Bear und Hole keine Männer auf ihren Konzerten wollen, dann wollen sie doch bestimmt auch nicht, daß Männer ihre Platten kaufen. Halbiert Eure Charts-Positionen, Mädels, und wir sehen uns im Sonderpreis-Ausverkauf wieder.« Und ein »Boy with Willie intact, Leicester« schrieb: »Ich hoffe, daß die Männer, die nicht ins Konzert reinkamen, nicht nach Hause gingen und sich selbst kastriert haben.«

 

Strukturen

 

Dies sind starke Effekte, wie sie so vielleicht nur von Negation und Networking, von der Verweigerung, »das Spiel ein weiteres mal mitzuspielen«, hervorgerufen werden konnten. Anders als bei der Babes-In-Toyland-Generation, suchte man nicht mehr nach gerechtem Zorn, Verletzlichkeit, Geschundenheit und Naivität, was sich über eine bloße Musikbeschreibung des verbreiteten dualen Hüsker-Dü/Pixies- Modells Harmonie/Aggressivität, bis dato immer noch legitimieren ließ.

Der Riot-Girls-Zorn wollte sich nicht mehr abspeichern lassen auf der Entschärfungs-Datei »Gerechter Zorn auf Männer, die zugegebenermaßen manchmal Bastarde sind« (wie ein besonders feinfühliger Leser betonte). Statt dessen ging es ihnen nur noch um die Strukturen des Musik-Geschäfts und der Schönheitsindustrie.

Sie machten sich nicht mal die Mühe Aussagen für oder gegen Männer zu machen.

Trotzdem galten Huggy Bear und Hole fortan als sexistisch. Kein Leser wollte auf sein gutes Recht verzichten, gesellschaftlich-evidente Strukturen weiterhin individualistisch zu sentimentalisieren (»I was born as a male I don’t know why I should justify it.«) Unrecht wurde nach Ansicht der Leser auch den »talentierteren Frauen« angetan, denen die Riot Girls »die Chancen nehmen, ernstgenommen zu werden«.

 

Die Lieblichen

 

Diese talentierteren Frauen, die aus einer möglichen Umklammerung der bösen Riot Girls gerettet werden mußten, waren in diesem Debatten-Herbst die lieblichen Belly, die Breeders, PJ Harvey (die sich trotz »Body Lyrics« nicht über geschlechtlich bestimmte Identität definieren wollte, darüber hinaus auch clever genug war, »Androgynität« als »zu kategorisierbar« zu verwerfen) und der liebliche »Neo-Folk« urbaner Folk-Sängerinnen. Manche dieser Einzelsängerinnen ließen in Interviews durchscheinen, daß Folk für sie zunächst eine Notlösung gewesen war, schließlich brauche man für Rock oder Punk ja eine BAND, was paradoxerweise keinem zu denken gab. Statt dessen hielt man Penelope Houstons unablässig zitierte Songzeile »If it’s a man’s world, then I’m glad I’m a girl« für einen feministischen Volltreffer. Was, um im Gender-Studies-Speech zu bleiben, die Frage evoziert: Ab wann spricht eine als Frau Geltende feministisch? Wird lieblicher Sozialkitsch automatisch zu einer lipstickfeministischen Äußerung, sobald eine Frau ihn äußert? Wird sie zur Feministin allein, weil sie als »Frau« über eigene Erfahrungen/Sozialisation/Körper spricht? Oder leitet man damit schon wieder der Vereinheitlichung Vorschub?

 

Wir-Zur-Gitarre versus Elektronische Einsamkeit

 

Zurück zu den Riot Girls. Was bedeutet dieser erste kollektive, explizit feministische Aufbruch von Rock ’n’ Roll-Mädchen in Zeiten, wo »Change« nur noch parodistischen, zynischen Charakter hat, wo Reformprojekte Scheitern implizieren? Und selbst Jugendkulturen kaum mehr den Kapitalismus, und soziale Bewegungen nicht mehr den Parlamentarismus reformieren – was Diedrich Diederichsen in seinem »Ende der Jugendkultur-Essay« als charakteristisch für die Gegenwart beschrieben hat. Zumal Reform ja sowieso das typische Bestreben historischer »Frauen-Bewegungen« war.

Und es also auch nichts wirklich Besonderes ist, daß sie das Wir-Zur-Gitarre zu einem Zeitpunkt erarbeiten, wo Reform, Gemeinschaftsbildung und Gitarre im subkulturellen Rahmen am Rande der Erschöpfung stehen. Der Zerfall des bohemistischen Konzepts »Innenstadt«, die sogenannte »Elektronische Einsamkeit«, der Rückzug in die gute Stube, hervorgerufen durch die ernormen Entwicklungen im Bereich der neuen Technologien, das bedroht u.a. das Networking und macht die Gitarre eben zum zweitneuesten Medium, während die Independent-Rockmusik-Szenen, in denen dieses Modell so gut gedeihen kann, aufgrund des CD-Diktats weiter an Bedeutung verliert.

 

Post-Optimismus

 

Die realistische Analyse widriger Umstände hat bei den Protagonistinnen der Riot Girl-Bewegungen aber auch dazu geführt, maximale Forderungen zu stellen, ohne sie gleich übertrieben im Gesellschaftsganzen verfolgen zu müssen. Sie haben, Backlash-geschult, einigermaßen pessismistisch, Niederlagen vorweggenommen, um weiter mit ihrer Auffassung vom authentischen, normalen, schönen Mädchen-Leben zu experimentieren. Man kann das »Post-Optimismus« nennen, man kann versuchen, das Terrain nicht den alten Spielen zu überlassen.

Und man kann euphorisch darüber werden, daß Mädchen, die Gitarre spielen, auch nur Menschen sind, die sich als freie Subjekte aufführen müssen.