Von Kerstin
6.Mai, nachmittags
MEIN HEXENTUTORIAL, Part 1
Wenn ich groß bin, will ich Make-Up-Tutorials auf „You Tube“ stellen! Folge 1 bis 10: Inhaltsstoffe.
Man wird mich endlich als Spießer anerkennen, denn ich bin auf Naturkosmetik spezialisiert!
Wie ein Album von den Ramones, auf dem jeder Song gleich klingt, werde ich in allen 10 Folgen die Kraft der immer gleichen sieben bis acht Öle bzw. Säfte preisen, die für mich in einer guten Hautcreme, einem guten Lippenstift, einem gute Make-Up enthalten sein müssen. Es sind nämlich immer die selben – und die gehören auch in jeden Reinigungsschaum und in jedes Shampoo, und sie kommen direkt aus der Natur.
Ich werde die armen, reichen Mädchen davor warnen, die scheußliche Markenkosmetik zu kaufen: Mit Bildern von Krankheiten – wie auf Zigarettenschachteln!
Sie werden ihre herrlischen Lippenstifte, Marken-Make-Ups, Lipliner, Lidschatten, Puder und Concealer, nicht mehr wieder erkennen. Oder ich nehme Bilder von Turnschuhen, an denen unten noch etwas Hundescheiße klebt. (Wobei Hundescheiße wahrscheinlich unbedenklicher ist als die Inhaltsstoffe in der Markenkosmetik.)
Die Naturkosmetik-Selbstverschönerer haben zwar nicht Hyper-Super-Glanz-Effekt – aber dafür müsst ihr dann z.B. zwei verschiedenfarbige Lippenstifte übereinander auftragen. Sorgt euch doch nicht so um das Wohlergehen der herrlischen Marken, die bei der herrischen Heidi inserieren. Lasst euch doch von dieser drecksverliebten Schönheitsindustrie nichts über Schönheit erzählen! Schönheit kommt nicht aus Chemielaboren.
Wenn ich erst mal die 100-Millionen-Klicks-Grenze überschritten habe, ist die Schönheitsindustrie kaputt.
Wir wunderschönen Hexen haben sie überstrahlt, mit ein paar kleinen, feinen Naturölchen. Schön wird das!
Und weil heute die Sonne so schön scheint, feiern wir doch gleich mal einen wichtigen Inhaltsstoff, der in jede gute Tagescreme, in jedes Make-Up gehört: Mandel. Kann nicht schaden, zieht schnell ein und hat einen natürlichen Lichtschutzfaktor von 5. „Just like Spring Rain.“
6. Mai, abends:
Und immer wieder: Musikfestivals ohne Frauen*
Anstatt auf Festivals zu spielen, reden wir auch diesen Sommer wieder darüber, warum wir (Doctorella), als eine der besten Livebands Deutschlands mit einer der überzeugendsten Performances (und Songs sowieso) NICHT spielen 🙂
Bei all den Diskussionen darüber – warum so wenig Musikerinnen auf Festivalbühnen stehen (auch neulich auf Spiegel-Online wieder:) – kommt ein Argument zu kurz:
Keiner der Festivalmacher*innen traut sich, zuzugeben, dass Männer den Anblick von Männern auf Bühnen für die Stabilisierung ihres Selbstbewusstseins brauchen! Und heulen könnten, bei der Vorstellung, dass Frauen* das mittlerweile genauso gut können. Sie wollen bei einem Festival den Ausschluss der Frauen* mit-genießen. Musikerinnen – indirekt – für minderwertige Künstler*innen zu erklären und möglichst wenig von ihnen einzuladen, wäre demnach ein Teil des Genusses!
Sollte es eine Frauen*- Quote geben, bis zum Beispiel 2022, wie die englische Key-Change-Initiative fordert, dann verlieren die Jungs auch ein Stück weit den Spaß an der Musik als Ganzes. Deshalb hört man so oft den Satz „Aber wir haben doch auch Frauen* gebucht. (Meint: „5 – 1o %“) Sie fühlen wirklich, dass diese paar Musikerinnen eigentlich schon zu viel sind. Genauso wie es viele Jungs gibt, die mit der Musik nur angefangen haben, um Mädchen für sich zu gewinnen. Und wenn die auch Musik machen, dann gerät nun mal das Gesamtgefüge auseinander… Das muss man auch mal zugeben können. Zumal das auch erklären würde, warum sie sich mit den Musikerinnen von nebenan, den Frauen im „eigenen“ Land, so besonders schwer tun: weil die gar nicht mehr wieder abhauen, weil man sie für immer in seinen Strukturen hat, und sie nicht so einfach wegexotisieren – oder auf einer ganz anderen Festplatte abspeichern kann.
Wenn man Festivalmacher*innen, die ja sowieso schon kaum Musikerinnen einladen, darauf anspricht, dass sie ja Musikerinnen aus Deutschland schon zwei und dreimal nicht einladen (nehmen sie uns damit nicht auch -indirekt- ein Stück Kunstfreiheit?), dann drehen sie beleidigt ihre Köpfe beiseite und schweigen. Das ist nun wirklich unter ihrem Niveau, ach was: weit drunter. An so was auch nur zu denken.
Deutschsprachige Musikerinnen auf einem ROCK oder ALTERNATIVE – Festival? Die selben Leute überschlagen sich dann aber vor Euphorie, wenn es um die männlichen Pendants zu diesen deutschsprachigen Musikerinnen geht. Weil, das sind schließlich ihre Helden…
Und weil das so ist, glaube ich manchmal, dass unsere (trotzdem notwendigen) feministischen Reden vom „Genie“ oder „Talent“ der Musikerinnen so oft ins Leere laufen: müsste man nicht vielmehr auch hier über die Konstruktion von Männlichkeit reden? Über die narzisstische Kränkung, die es für viele Männer immer noch bedeutet, wenn sie einer Musikerin im vollem Umfang die selbe Aufmerksamkeit und das selbe Wohlwollen entgegenbringen müssten wie einem Musiker? Andererseits: es gibt mit Sicherheit genau so viele Männer, die NICHT so ticken, und die sich über weibliche* Musiker freuen. Sie sind unsere Hoffnung, die wir mit unserer Musik überzeugen wollen.
Die Hoffnung, dass die Guten immer mehr werden…
Und vielleicht wächst sich die pubertäre Genugtuung, als Junge an etwas teilzuhaben, was die doofen Mädchen nicht verstehen, ja auch irgendwann aus? Und die Festivalmacherinnen trauen ihrem männlichen) Publikum (noch) zu wenig zu?
Eins stimmt jedenfalls nicht: dass es zu wenig talentierte Musikerinnen gibt, die man buchen könnte, wie z.B. Sebastian Thanscheidt von FK Scorpio (für das Booking der Festivals “Hurricane” , “Deichbrand”, “A Summers Tale” und “Chiemsee Summer” zuständig), der in der Story zum besagten SPON-Bento-Artikel sagt:
„Unser erstes Ziel ist künstlerisch-musikalische Diversität: eine reizvolle Mischung aus bekannten Namen und Newcomern der für unsere Besucher interessanten Genres. Dennoch achten wir bereits seit langer Zeit bewusst darauf, starke Künstlerinnen zu präsentieren. Ein in dieser Hinsicht ausgeglichenes Line-up würden wir begrüßen. Das lässt der Künstler-Pool aber einfach noch nicht zu.“ „Das lässt der Künstler-Pool noch nicht zu?“ Nun, wer nicht mal „Künstlerinnen-Pool“ sagen kann, findet halt keine Künstlerinnen…
Und davon abgesehen: Dass es der „Künstler-Pool“ nicht zulässt, grenzt schon an eine Fake News. Eine Propagandalüge, die all die vielen Musikerinnen ignoriert, die es gibt.
Auf diese Masche fallen wir nicht rein, nach außen „Diverstität“ heucheln, und nach innen wieder nur dem straight white male die Bühne, die Aufmerksamkeit, das Geld geben. Ein Sommermärchen. Genau das!