Neues Video-Format “The Radar” aus Berlin

5 Fragen an Leonie Scholl

“Ich finde Underdogs einfach interessanter als das, worauf sich die große Masse stürzt!”

“The Radar” entstand 2018 aus dem Zusammenschluss von RedakteurInnen und JournalistInnen von u.A. INTRO, Festivalguide, ZeitOnline und Deutsche Welle, um ein videobasiertes, unabhängiges Popkultur-Magazin zu gründen. Wir berichten aus aber nicht nur über Berlin, Musik, Kultur und alles was damit in Berührung steht.”

Die “The Radar”- Redaktion besteht aus Leonie Scholl, Lena Willems, Marleen Retsina, Josephine Günther – und wechslenden freien Autor*innen. Wir haben Chief Editor Leonie Scholl 5 Fragen gestellt:

Ihr habt ein tolles facettenreiches Popkulturmagazin aus Berlin gestartet, mit Schwerpunkt auf anspruchsvollen selbstgedrehten Videos. Was fasziniert dich so sehr am Medium Video? Wir haben darüber ja auch schon geredet. was kann Video was Text nicht kann? Oder weniger hierarchisch gefragt: kann Video etwas anderes?

Ich habe lange mit Text gearbeitet und wurde irgendwann tatsächlich zu müde. Ich hatte auch irgendwann einfach keine Lust mehr darauf, Interviews abzutippen. Dabei geht so viel Witz und Intention verloren, weil man Randbemerkungen, Mimik und Gestik nicht richtig rüberbringen kann. Auch finde ich es immer viel aussagekräftiger, zusätzlich Eindrücke der Live-Show einer Band zu zeigen. Vielleicht ist es auch eine Art Faulheit, weil man mit einem Video viel schneller darstellen kann, was Sache ist, als es zu beschreiben. Obwohl ich letztendlich an einem 3-Minuten-Video auch genauso lange sitze wie früher an 3-Seiten-Text.

Was ist ganz allgemein gefragt, eure Vision mit so einem Magazin?

Wir kommen alle aus verschiedenen Redaktionen und haben dort gerade im Printbereich die Erfahrungen gemacht, dass viele dem Medium Video skeptisch gegenüberstehen. Die Leute denken, dass es unglaublich viel kostet und wahnsinnig viel Aufwand ist. Dabei produzieren mittlerweile schon Teenies hochqualitativen Content auf YouTube und verdienen sich damit eine goldene Nase. Aber das Meiste, das es an Webvideo gibt, wird aus einem sehr subjektiven Blick erzählt. Uns ist es wichtig, dass die Künstler*innen bzw. Portraitierten an erster Stelle stehen. So eine Egoshow, wo sich der Autor nur selbst beweihräuchert, das war mir schon bei Texten zuwider. Noch schlimmer, wenn das von jemandem kommt, der den ganzen Tag mit niemand anderem als seinem Laptop redet.

Wie habt ihr euch gefunden, und wie verteilt ihr die aufgaben untereinander?

Marleen und ich haben uns letztes Jahr bei einem Musikerinnen-Stammtisch kennengelernt. Eigentlich wollten wir eine Band gründen, aber es ist dann doch anders gekommen. Die Idee mit dem Videoformat hatte ich parallel dazu auch immer wieder mit anderen Leuten besprochen, auch Männern 😉. Aber zwischen Reden und Machen liegen ja immer Welten, in unserem Fall fast ein Jahr, bevor wir uns gesagt haben, so Melt wird die erste Sendung! Da sind dann Marleen, Josi und ich hingefahren und haben einfach mal gemacht. Kurz danach, bei der Abschiedsfeier von Intro, hab ich Lena von Ex-Festivalguide kennengelernt, was sich als großer Glücksfall erwies. So kam es dann, dass wir den inneren Kern gebildet haben. Ich bin vor allem für Video und Schnitt zuständig, Marleen moderiert, Lena macht fantastische Fotos und Videoaufnahmen und Josi hat redaktionell super den Durchblick. Aber wir sind da nicht so festgelegt, tendenziell machen alle alles. Und wir sind auch immer offen für Kooperationen mit anderen Journalist*innen oder Videoproduzent*innen.

Auf dem Popkultur-Festival hat man euch immer zusammen drehen und herumlaufen sehen und ihr scheint eine Menge Spaß gehabt zu haben: ist dieses “Wir”-Gefühl auch Teil der Videos? Wir finden nämlich, dass das rüberkommt in den Beiträgen selber. Auch durch die tolle Moderation von Tiger Lilly Marleen.

Ja auf jeden Fall! Das war definitiv auch einer der Gründe, der mich antrieb. Wenn man schreibt sitzt man die meiste Zeit des Tages alleine rum und beschäftigt sich nur mit sich selbst. Okay, jetzt sitzen wir die meiste Zeit rum und schneiden, aber das kann man auch ganz gut nebeneinander und zusammen machen. Unser Lebensalltag macht es uns ja immer einfacher uns so weit wie möglich von anderen Leuten zu entfernen und möglichst viel Zeit alleine zu verbringen, ohne mit irgendwem in Kontakt treten zu müssen. Das finde ich eine furchtbare Entwicklung und wollte irgendwas machen, um da gegenzusteuern – zumindest für mich persönlich.

Was ist euch sonst noch wichtig? Welche Kriterien habt ihr bei der Auswahl der Interviewten?

Uns ist es wichtig Themen fernab des Mainstreams zu zeigen. Bei den Festivalberichten haben wir bewusst “kleine” Acts und das Randprogramm besprochen. Das ist aber auch eine Sympathiefrage, ich finde Underdogs einfach interessanter als das, worauf sich die große Masse stürzt. Ansonsten mögen wir alles was feministisch, queer oder sonst andersgelagert ist. Was nicht heißt, dass wir jetzt niemals erfolgreiche, weiße Männerbands im Programm haben. Wir versuchen ein bisschen die Waage zu halten. Aber wenn man sich gängige Musik-Video-Formate anschaut, egal ob im Web oder TV, besteht der weibliche Anteil dort meistens lediglich in der Moderation. Dem wollen wir gegensteuern. Sowohl vor, als auch hinter der Kamera.