Mal wieder eine Manic Mittwoch Kolumne am Donnerstag 🙂
von Kerstin
„Der Teufel muss ein guter Tänzer sein“ (Toni Kater)
Nie zuvor war der Titel dieser Rubrik treffender als in den vergangenen Tagen. Das ist es wirklich, was es braucht: Achtsamkeit in einem Alltag, der vielen Menschen, die der Risikogruppe des Corona-Virus angehören, das Leben kosten könnte. Leider gibt es zu wenig Achtsamkeit. Ich habe in den letzten drei Tagen jeden Tag gedacht, dass es besser wird, aber es wurde kaum besser, vielleicht ein bisschen. Mensch erkennt sofort die Leute, die ein Bewusstsein für die Situation haben, sie bewegen sich ganz anders im Alltag, als diejenigen, die niemals Platz machen, niemals auch mal ein Stückchen beiseite gehen, wenn mensch aus der Entfernung auf sie zusteuert, so dass immer die Klügere nachgeben und am Rand laufen muss, irgendwie bezeichnend, das.
Wer in diesen Tagen an immun-schwache Leute denkt, sie schützen will, deshalb auch draußen auf dem Gehsteig Distanz wahren will, der oder die wird selber an den Wegrand gedrängt. Es ist mir fünfhundert Mal passiert, in den letzten drei Tagen. Haben die Leute so eine mangelnde Einfühlung in die Lage?
Sie können nicht ausweichen, gehen immer ihren vorgeschriebenen Weg. Ich wähle jetzt mal bewusst das anklagende Punk-Rock „they“ – denn es sind ganz schön viele, die nicht raffen, wie man jetzt Rücksicht nehmen könnte. Wie die Lämmer laufen sie nebeneinander her, zu fünft über den Gehsteig, und weichen keinen Millimeter von ihrem Plan ab, schnurstracks auf der Mitte des Gehwegs zu gehen. Liegt es an der mangelnden Selbstwahrnehmung vieler Menschen? Merken sie nicht, wie sie hustend an anderen Menschen vorbeilaufen? Sind das eigentlich die Selben, die Angst vorm Gendern der Sprache haben? Oder sind das die, die sich, so ganz geil links, von oben nichts aufdrücken lassen? Doktoren sind aber keine Diktatoren, merkt euch das!
Vielleicht wissen sie eventuell gerade in dieser Situation mal wirklich mehr als ihr Besserwisser*innen? Einmal der Wissenschaft glauben? Gefährdet es so sehr ihre Integrität, wenn sie mal beiseite treten müssten, durch den Matsch z.B. beim Spaziergang im Park? Ja, das klingt so scheiße, so verbotsmäßig und nach autoritärem Charakter. Aber hey, es ist doch nicht Punkrock sich punkrockhörend in großer Gruppe in den Park zu setzen, Würstchen zu grillen (!) und auf Lautstärke, nun, ja, Punkrock zu hören. Ich verstehe ja, klar, Teenager, ich hab mir damals auch unglaubliche Sachen geleistet, aber ich bin mir sicher, dass auch mein früheres Ich in der Corona-Krise schon kapiert hätte, dass Punkrock manchmal das Gegenteil ist von dem, was es sonst zu sein scheint.
Punkrock heute wäre entweder a) tendenziell zuhause zu bleiben oder b) eine CHOREOGRAFIE zu laufen, im Ernst. Wäre das so schwer? Ist es nicht auch ein bisschen spannend, aufregend, neu sich einfach mal anders zu bewegen, Miteinander im Sozialdistanzieren? Der Takt, zu dem wir laufen, heißt zwei Meter Abstand, so schlimm? Einfach darauf achten, keine Tröpfchenabsonderung halt. Gilt leider auch für die Kinder. Müssen die vor den Eisdielen in Gruppen herumstehen und reden und schreien? Ja, es klingt faschistisch, ist aber heute das Gegenteil von Faschismus: es rettet Leben von schwächeren Menschen und hilft auch gegen die eigene Angst(-Störung).
Ich gebe ja zu, dass ich es nicht schaffe, NICHT durch den Park zu laufen. Ich könnte ja auch einfach zuhause bleiben, aber mit mindestens zwei Metern Abstand, und ohne zu quatschen, kann ich eben auch meiner Lieblingsbeschäftigung, joggen, laufen, spazieren nachgehen. Aber Spaß macht das schon lange nicht mehr.
Frische Luft und Bewegung sind verdammt gut fürs Immunsystem, gehört sogar zu den besten Einflüssen auf das Immunsystem, so wie z.B. auch viel Schlaf und Obst und Gemüse essen. Wer sein Immunsystem schützt, schützt auch andere, bekommt das Virus mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht, kann also auch nichts übertragen. Ich habe also kein schlechtes Gewissen, wenn ich durch den Park laufe, aber ich hasse die Menschen heute. Ich habe sie NOCH NIE so gehasst wie heute.
Und so möchte ich jetzt auch dem Grüppchen im Park, das Punkrock hört, entgegen schreien: „Ich möchte vorbeilaufende Passanten zerstören“, frei nach dem Motto von den Sex Pistols aus „Anarchy in the UK“. „I wanna destroy passers-by“. Aber dann sag ich doch lieber nichts, sondern laufe, kommt grad kein Auto, ein paar Meter lang auf der Straße. Ich bin ein schlechtes Vorbild für eure Kinder. Erklärt ihr ihnen lieber warum manche Leute wegen euch auf der Straße laufen müssen. Aber nee, schon klar, Vanille-Eis kaufen und schlecken ist wichtiger. Oder Himbeer mit irgendeinem grünen Gewürz drin?
„I HATE YOU SO MUCH RIGHT NOW!“ (Kelis)
Ist es wirklich so seltsam auf sich selbst und andere zu achten?? „In jedem Moment“? (Zuckerklub)