Unser Teenagerstar des Jahres
von Kersty
Also eins steht schon mal fest: Céline reimt sich auf Berlin. Und zwar ziemlich gut.
“Für die Scheiße, die du fühlst
Brauch man safe ‘ne Therapie, ja
Was machst du da, Céline?
Musstest raus aus deiner Stadt
Doch bist du glücklich in Berlin, ja?
Was machst du da, Céline?
Vergibst allen ihre Fehler
Doch hast dir selbst nie verziehen, ja?”
Und: “Ich leb den Traum, doch bin allein im Paradies.” Sie will “ganz nach oben, doch hat Flugangst.” Celiné singt über sich selbst in der dritten Person, das hat`s im deutschen Pop lange nicht gegeben. Und schon gar nicht, dass female* Teenagerstars, oder zumindest solche, die als “next big thing” gehandelt werden, ihre Texte immerhin selber schreiben.
Ich hab eine Schwäche für diesen Song, höre ihn schon seit Wochen immer wieder. Er enthält wirklich schöne Zeilen, und der Gedanke, dass mensch allein im Paradies ist, ist angenehm teenage-arrogant. Ja, wo sind denn jetzt plötzlich alle? Die Art und Weise, wie hier Seins-Zustände durchgespielt werden, von: doch schon ziemlich weit “oben” sein, und mit den V.I.P.s abhängen, die man dann wieder nicht aushält, weil man halt doch anders ist als sie, bis zu: dann eben doch ziemlich down sein und eigentlich `ne Therapie brauchen, hat Würze und Würde. Und Witz!
Und auf einen Song-Titel wie “Tränen aus Kajal” wäre ich echt gerne auch gekommen… Komisch eigentlich, dass es noch nie einen Track gab, der “Tränen aus Kajal” heißt. Dafür brauchen wir wahrscheinlich die Instagram-Trap-Jugend. Oder jedenfalls beweist Céline dass man, um in ihrem Alter (sie ist born in 2000) solche Songs schreiben zu können, doch mindestens von der Schule geflogen sein muss. Und das macht sie mir erst Recht sympathisch. Zumal sie in der Zwischenzeit richtig gut singen gelernt hat und auch für andere Musikerinnen Songs schreibt.
Was Celine aus der Trap-Dutzendware hervorhebt, ist nicht nur das entschiedene Auftreten, die besseren Texte und die Mischung aus Rap und Gesang, sondern ganz generell das gute alte Konzept des Popstarwerdenwollens – aufs Insta-Zeitalter übertragen. Die Musikerinnen heute, die es im Mainstream schaffen wollen, haben es in der Hand sich untereinander zu hypen, in dem sie sich gegenseitig in Insta-Stories vorstellen. Nix mehr mit würdelosem Casting-Scheiß. Das kann eine*r natürlich auch als Ich-AG Overkill verstehen, als die neueste Superseltsamscheiße des Neoliberalismus. Klar. Aber wenn dabei rauskommt, dass frau, wofür sie früher Songwriter-Teams, Plattenfirmen und Werbebudgets gebraucht hat, einfach allein machen kann, dann ist das aus feministischer Sicht und mit Hinblick auf die sexistischen Marketingstrategien der Majors, doch eine recht paradiesisch-anmutende Entwicklung, ja?
Die BRAVO hat Celiné jedenfalls schon entdeckt 🙂 Merke: In 2020 steigt man nicht von 100 auf 1 in die Charts, sondern von 0 auf 100. Auch wir vom Ich Brauche Eine Genie Blog wünschen Alles Gute for the future!!
P.S. “Teenagerstar” ist natürlich nur liebevoll gemeint, wir wollen Céline nicht marginalisieren. Sie kann natürlich auch von Erwachsenen verstanden werden…Ist schließlich selber ziemlich erwachsen, ja?