In der TRAUMBAR
Manic Mittwoch-Kolumne von Kersty
Musik: Slow, mit Süßholz und Orangenschalen
“Where is my Mind?”
Nein, die Thrombosen, die in seltenen Fällen von AstraZeneca ausgelöst werden, sind nicht dieselben wie die von der Antibaby-Pille. Das ist etwas völlig anderes, heißt halt nur zufällig auch “Thrombose”. “Wie soll man den Scheiß auch immer nennen?” fragt Sandra lakonisch. Der ist jetzt in allen Medien, der (Nicht-)Vergleich, aber auch dahinter steckt schon wieder ein neues Ärgernis, weil in jedem Artikel die Formulierung auftaucht: “Der Vergleich hinkt.” Alles der selbe Artikel. Wer sich da noch über die behindertenfeindliche Konnotation aufregt, hat am heutigen Tag auch wirklich keine anderen Sorgen, nee, klar. Ich bin trotzdem froh über all den Sex mit all den kleinen Kompromissen… Kompromisse beim Sex, was für eine Zumutung für alle männlich Beteiligten. Aber zurück zum Thema: Da kann sich Sascha Lobo noch so bemühen in seiner – natürlich wie immer erstklassigen – SPON- Kolumne den Weg des schlechten Rufs nachzuzeichnen, den AstraZeneca von Anfang an hatte. Lieber würd ich noch ein Jahr mit der Maske rumlaufen, als mir das in den Arm impfen zu lassen.
Was wird jetzt mit der Impfung, die ich für meinen Vater klar gemacht habe? Heute ist ein richtiger Scheiß-Tag. Hoffentlich rutscht die CDU bald unter die 5 %-Hürde. Aber die sind auch nicht an allem Schuld. Nicht daran, dass es in Mallorca Wintereinbruch gibt oder dass das Thermometer nächste Woche auf gefühlte und echte 19 Grad steigen wird, also praktisch Sommerbeginn ist. Where is my mind? Ich muss jetzt in den Park, den Horror weglaufen, alle Worte in den Wind schießen, die mich nerven und meinen Body and brain mit positiven Worten, Gedanken, Gefühlen, oder wenigstens mit Endorphinen, überfluten. Klares Suchtverhalten, Lauf-Sucht als Gegengewicht zu all den falschen Gedanken im Hochstressbereich. Denn so ein Gedankenausbruch auf dem Panikpony ist ja auch kein Ponyhof. Der Traum ist der Weitwurf der Seele. Oder auch: Träumen heißt sich nicht zu schämen für das, was man tut. Die Irrealität im Frühjahr, das brenzlige Licht.
In der Nacht der Zeit-Umstellung hab ich mir die Melodie für den Angst-Song ausgedacht. Jetzt ist das auch schon wieder fast ein halbes Jahr her. Ich bin ziemlich zufrieden mit der Melodie und der Musik, aber lange schon nicht mehr mit den wechselnden, aber immer nach dem selben Muster aufgebauten Punchlines; “Angst, wenn du mich das nächste Mal punkst, dann weiß ich automatisch, es ist nicht so dramatisch, aber trotzdem werd` ich panisch: Angst, ich punk dich.” Weil man doch mit der Angst nicht so schimpfen soll, schon gar nicht, wenn sie ist wie ein irrer Wachhund, der mich nur beschützen will. Meine Therapeutin denkt, dieser Teil in mir, der immer sofort anspringt, ausschert, wenn er nur die geringste Gefahr wittert, der muss mal in die Hundeschule. Seine Absichten sind ehrenwert, seine Methoden aber fragwürdig. Ein sehr ambivalentes, süßes Hündchen. Vor ein paar Tagen bin ich ja sogar vor meinem inneren Schutzhund davongelaufen, voll in Panik, im Traum. Dann habe ich gesehen, dass die Fiffi an der Leine war. Wie ist sie an diese Leine gekommen, wer hat sie gehalten? Ich wars nicht, ich bin ja vor ihm davongerannt. Da hab ich es gesehen: ein kleines Wunder, er hält sich selber an der Leine, er ist auf und ab gesprungen, hat sich wild um die eigene Achse gedreht, und ohrenbetäubend Schlimmes gekläfft. Aber, nichtsdestotrotz: da war eine Leine. Jetzt frag ich mich: ist mein Angsthund nachts heimlich in die Hundeschule gegangen? Er hat mich so ganz fragend angekläfft, als ob er mich für weitere Unternehmungen um Erlaubnis fragen müsste. Soll keiner sagen, es wäre schwer oder leicht eine Angst-Störung zu bekämpfen. Wau, Wau, Wau.
Als die Welt noch unterging, war die Welt noch in Ordnung, das ist falsch: wer träumt sündigt eben doch. Und was hat das alles mit Musik zu tun? Denkt euch den Song dazu selber aus, ich glaube, er ist slow und Mid-Tempo, Electro auf jeden Fall, starke Percussions. In New York City setzt sich mal wieder eine Musikerin für Selbstakzeptanz ein. Das wünsche ich mir auch. In Berlin kann man davon nur untertänigst schwärmen: gebt mir etwas von dieser sweeten Selbstakzeptanz! Es dürfen, hab ich gelesen, keine anderen Leute ins Impfzentrum mit rein, keine Angehörigen. Aber in jede Bäckerei, da dürfen fünf Kinder rein und singen und schreien und ihre Aerosole verteilen. Es regen sich ja sowieso nur die Angstneurotiker darüber auf. Da stehn wir doch drüber. Bisschen wie bei Hänsel und Gretel, am Ende stirbt wieder nur die Hexe, die Böse, die Thromböse. Wer sich aufregt, ist scary.