“Es heißt nicht zu unrecht: Man wächst an seinen Herausforderungen.”
Wir sind sehr aufgeregt! Denn am Freitag 25.6. 21 erscheint das neue Drunk at Your Wedding-Album “I Have To Home” auf unserem Label Bohemian Strawberry. Seit einem halben Jahr arbeiten wir schon im stillen Kämmerlein daran, – mit der wunderbaren Künstlerin Nina Töllner zusammen – dass dieses großartige Electric-Folk-Werk das Licht der Welt erblicken kann. Und wie schön, dass es gerade jetzt das Frühsommerlicht ist, das darauf scheint. Hier könnt ihr es streamen/vorbestellen. Die flirrend-schöne und genaue Beobachtungsgabe der Texte gibt uns überraschende Bilder und kleine Weisheiten wie Gaben, die wir anfassen können. Sie im Gepäck zu haben, macht die Indie-Pop/Folk-Songs von DRUNK AT YOUR WEDDING zu einem Erlebnis, das uns alle beim Hören ein bisschen wachsen lässt. Am 30.6. ist sie bei KRAWALLE & LIEBE #17 dabei, am 17.7. gibt es ein Picknick-Release-Konzert im Volkspark Friedrichshain/Berlin. Das sind viele gute Gründe der Singer/Songwriterin Nina Töllner sieben Fragen zu stellen:
1) Normalerweise finden wir Fragen zum Bandnamen ja öde. Aber bei deinem aufregenden, tollen Namen interessiert uns jetzt doch mal, wie du darauf gekommen bist. Es ist ja von einem SMOG-Song namens „Your Wedding“ inspiriert. Warum hat gerade diese Aussage des unglücklich Verliebten („I`m gonna be drunk, so drunk at your wedding“) dich dazu gebracht, deine Band so zu nennen?
Ausgesucht haben den Namen damals meine Bandpartnerin Lesley und ich, die Urbesetzung von Drunk at Your Wedding. Aber der Vorschlag kam von mir, weil ich die mantrahafte Zeile aus diesem finsteren, schrägen Lied von Bill Callahan so eindringlich fand. Für mich sagt sie: ‚Du hast mir das Herz gebrochen‘, ohne diese Worte zu benutzen. Ich finde es immer super, wenn ein Text das hinbekommt.
2) Dein neues, zweites Album namens „I Have to Go Home“ ist vielschichtiger instrumentiert und von den Melodien her poppiger als das etwas sprödere Debüt von 2016. Magst du uns ein bisschen erzählen, wie sich dein musikalisches Schaffen in den letzten Jahren weiterentwickelt / verändert hat und warum?
Backcover
Das letzte Album „Big Sigh“ mit meinem zweiten Duo-Partner Patrick ist fast komplett zu Hause entstanden und der Sound war sicher folkiger, weil ich damals meist Akustikgitarre gespielt habe. Nachdem Patrick Berlin und damit die Band verlassen hat, bin ich zur E-Gitarre gewechselt, weil ich keine Singer-Songwriterin mit Akustikgitarre sein wollte. Spielst du aber solo auf der E-Gitarre lautere Songs, hast du schnell das Problem, dass es zu dünn klingt. Auf „I Have to Go Home“ habe ich mir für mehrere Lieder Unterstützung an Bass und Schlagzeug geholt. Aber heute versuche ich auf der E-Gitarre Songs zu schreiben, die weniger nach einer Band verlangen. Eigentlich mag ich es ohnehin lieber etwas düsterer und experimenteller, da passt das ganz gut.
3) „I Have to Go Home“ ist auf eine gewisse Art ein Reise-Album. Es gibt einen Song über eine Rucksackreise in Neuseeland und du hast auch schon mal eine sechsmonatige Reise durch Lateinamerika gemacht. Wie wichtig sind diese Reisen, Erfahrungen, Begegnungen für deine Songs, dein Songwriting? Aus Neuseeland hast du ja auch ein Album der Singer-Songwriterin Aldous Harding mitgebracht, deren Song „Horizon“ du auf deinem Album coverst…
Ich würde gerne sagen, dass mir das Reisen wichtige Impulse fürs Schreiben gibt. Bevor ich auf eine längere Reise gehe, denke ich immer, dass es super wäre, eine kleine Gitarre mitzunehmen. Aber dann ist es mir doch zu viel Gepäck. Auf „I Have to Go Home“ handelt letztlich nur ein Song explizit vom Reisen, nämlich „The Kindness of Strangers“, der von Begegnungen beim Trampen erzählt. „Sandflies“ wurde von einem nächtlichen Erlebnis an einem mexikanischen Strand inspiriert und „You & Me & Sufjan“ entstand teilweise auf einer geliehenen Gitarre in einer neuseeländischen Hostelküche. Aber es sind keine Lieder „von der Straße“. Bilder vom Unterwegssein, von Entfernung und Heimkehr tauchen trotzdem immer wieder auf der Platte auf und natürlich beeinflusst das Reisen die eigene Weltsicht. Insofern: Es steckt schon irgendwie drin.
4) Ein thematischer Schwerpunkt ist die Erkenntnis, dass es wichtig ist, im Hier und Jetzt zu leben, und dass zu viel Hadern und Zweifel einer/einem nur die Freude am Leben nimmt. Kannst du das auf Songs bezogen ein bisschen konkretisieren? Es gibt ja z.B. in dem Song „Nobody There“ die großartige Zeile „And they can carve in that gravestone:“`She never made a fool of herself.`“…
Zum Spaß haben muss man sich manchmal erst etwas trauen. Beispiel: tanzen. Viel zu oft stand ich früher frustriert am Rande der Tanzfläche, weil ich mich vor anderen nicht überwinden konnte. Inzwischen bin ich da schmerzbefreiter. Das Leben ist zu kurz! Oder auch: jemanden ansprechen, den man interessant findet und dabei riskieren, einen Korb zu kassieren. Nicht meine Stärke. Und um gut in etwas zu werden, muss man auch erstmal länger üben und sich vielleicht diverse Male vor anderen blamieren. Da ist es natürlich leichter, es erst gar nicht zu versuchen. Aber sehr erfüllt ist das Leben dadurch nicht.
5) Du hast viele Instrumente selbst eingespielt, dein Lieblings-Instrument ist und bleibt aber die E-Gitarre, wobei deine Kombinationen aus Riffs und fantasievollen Lead-Figuren eine eigene Geschichte erzählen. Das ist richtig richtig gut! Erzähl mal, wie du zum Gitarrespielen gekommen bist und welche Vorbilder du da so hast. Du betonst auch gerne, dass dir das Elektrische dabei wichtig ist, weil du keine Folk-Musikerin auf der „Akustischen“ sein willst, das findest du „langweilig“, wie dein Info sagt.
Ich finde akustische Musik nicht per se langweilig, absolut nicht. Ich habe ja selber ein großes Herz für Folk – und damit meine ich nicht den Akustikpop, der einem heute gerne als Folk verkauft wird. Aber es ist eben so ein Klischee: die Frau mit Akustikgitarre. Auf diese zarte, sensible Nummer hatte ich keine Lust. Selber habe ich in frühen Teenagerjahren angefangen, Gitarre zu spielen, weil ich damals alternativen Rock entdeckte, meist von Männern. Aber ich habe lange Zeit nur im stillen Kämmerlein vor mich hin geklimpert, weil ich der Meinung war, ich bin nicht gut genug, um mit anderen zu spielen. Ich bin bis heute keine brillante Technikerin, dafür fehlt mir die Übungsdisziplin. Aber auch hier war die Scheu natürlich eigentlich unnötig, siehe auch die letzte Frage. Es heißt nicht zu unrecht: Man wächst an seinen Herausforderungen.
Foto: Brice Bourdet
6) Du bist wahrscheinlich eine der wenigen Musiker*innen on earth, die ihren Albumtitel und eine Antwort darauf in ihre Arme tätowiert haben. Das kann man auch in der CD-Hülle bestaunen. Was war zuerst: Albumtitel oder Tattoos?
Ich bezweifle stark, dass ich die einzige bin. Aber in dem Fall hat die Tätowierung den Albumtitel inspiriert. Die beiden Sätze auf meinen Oberarmen – „I have to go home“ – „You are home“ – sind ja ursprünglich ein Zitat aus dem Musikfilm „Almost Famous“. Dieser Dialog kam mir ein paar Mal in speziellen Situationen in den Sinn. Beim zweiten Mal, vor ein paar Jahren, beschloss ich dann, ihn mir tätowieren zu lassen – als Erinnerung an den Moment, aber vor allem als Erinnerung daran, mehr im Moment zu leben. Ich hätte das Album auch „You Are Home“ nennen können. Aber das fand ich zu kitschig. Und das im-Moment-Leben bedarf bei mir ohnehin noch einiger Übung.
7) Was dürfen wir bei deinen Live-Auftritten erwarten?
Songs, die leise und laut sind. Ernste Texte, die manchmal nicht ganz so ernst sind. Und Ansagen, die oft ziemlich unernst sind. 😉
Foto aus dem Videodreh zu “You & Me & Sufjan” (c) Mercedes Reichstein
Dieser Release ist gefördert vom Musicboard Berlin GmbH (Labelförderung). Danke! <3