von Sandra
Endlich ist es da, das lange erwartete Album der Hamburger Rapperin Finna. Und schon im Titel wird ihre geniale anspielungsreiche Sprache deutlich: Zartcore ist der neue Hardcore! Und gibt uns jetzt den Pfad vor:
Hier auf diesem Blog ist Finna ja eine feste Größe. Teil der heiligen Vierfaltigkeit aus Lena Stoehrfaktor, FaulenzA, Babsi Tollwut und eben Finna. Umso mehr freue ich mich natürlich, wenn mehr Medien jetzt auch auf die queerfeministische Rapperin aufmerksam werden. Und sie sogar das Cover der Mai/ Juni- Ausgabe des “L Mag – Magazin für Lesben” ziert. Wobei Finna ja schon immer drin war im Game, zu dem sie sich von Anfang an, also seit 2015, aber auch in kritischer Distanz aufstellte . So beginnt “Zartcore” bezeichnenderweise mit dem “Intro” genannten Stück “D.I.Y.”, in dem sie sich selbst erstmal zugute hält:
“Ey das hab ich selbst gedacht, selbst verkackt, selbst geschafft, ey das hab ich selbst gemacht, selbst gemacht, selbst gemacht, selbst gerafft … Major wollten signen, ich hab verneint, hab meine Message, nun komm ich hier einfach rein, vom Untergrund, mit meinen Smash Hits…”
Finna macht die Sache mit dem Außenseiterding klar. Sie begehrt den Majordeal nicht, weil sie die Welt dahinter ablehnt, aber sie schreibt Smash Hits, und ihre Beats, die sie größtenteils selbst (oder gemeinsam mit Spoke) produziert hat, sind fett und pumpen, sie rappt und hat Melodien und eine Stimme zwischen Pop, Soul und Punk. In allem ist Power und Liebe. Liebevoll sind die Tracks auch gemacht; Hip Hop, Trap, Pop, sie rappt mal Half, mal Double-Time, sie spielt auch Klavier. Die “grinsende Rebellin mit der Riesenstimme” (Selbstbezeichnung) kann einfach alles!
Und immer geht`s darum mentale Downs zu überwinden oder damit zu überwintern. Es ist jetzt Teil der Finna-Erzählung: als es gerade losgehen sollte mit der Musikerinnen-Karriere, kam die psychische Erkrankung, dann die Pause, schließlich ging es langsam wieder weiter, dann immer rasanter, neue Singles, am wirkungsvollsten die Body-Positivity-Hymne “Overscheiß” (2020), viele Auftritte im queer-feministischen Kontext, und jetzt, endlich, endlich, liegt das ganze Album vor…es hätte schon 2016 erscheinen können. Oder vielleicht auch nicht? Denn damals waren die Türen für innovative Musikerinnen aus Schland noch nicht so weit offen wie heute.
But however: “Zartcore” ist ein richtig starkes Debut, ist jetzt das Zeugnis einer Künstlerin geworden, die sich ins Leben zurück boxt. Neben Ebows aktuellem Album “Canê” haben wir es hier mit der ersten hiesigen Blaupause des queer-feministischen Raps der 2020er Jahre zu tun. Ein Album darüber, wie man an Selbstzweifeln wachsen kann. Und das dabei entzückend die Karte der Kollektivität zückt. So dass am Ende sogar ein NDW-mäßiger, eigentlich naheliegender aber nie zuvor gebrachter Reim möglich ist wie: “Sex macht uns stark, gegen das Patriarchat“, haha. Und: “Das ist unser Slutpride, weißt du was das heißt: Sluts for life, horny & slice.” Finna gehört zu der Generation Frauen, die die feministischen Bewegungen der letzten 10 Jahre inhaliert und gebraucht haben, um zu sich selber zu finden und ihr Ding zu machen, und die diese Bewegungen gleichzeitig aber auch durch ihr eigenes Agieren darin mit nach vorne gebracht haben.
Ich erinnere mich, wie sie für “ein veganes Brötchen” (als Gage!) mit dem Fernbus von Hamburg nach Berlin und zurück fuhr, um bei der legendären, hundsmiserablen “Team Gina-Lisa-Demo” vor einem Berliner Amtsgericht drei Lieder gegen sexualisierte Gewalt zu singen. Finna gehört aber auch zu den Poetinnen, die dann noch Reime in ihr Notizbuch schreiben, wenn sie schon am Boden liegen. Und dann mithilfe ihrer eigenen schreiberischen Kraft wieder aufstehen! All diese Resilienzen sind in dieses große Album miteingeflossen. Und das ist ja sowieso das Beste an authentischer Kunst: wenn Künstlerinnen, das was sie verbreiten, auch für ihre eigene Stärkung brauchen. Und so ist “Zartcore” jetzt ein Geschenk geworden, für uns alle, die wir es hören dürfen!
Von Finna lernen heißt: seine Träume nicht zu verraten bzw. sie so laut in die Welt hinein zu verraten, dass die Welt zurück umarmen kann.
Zartcore:
Papierkrieg:
Finna- Papierkrieg (prod.by Finna & Spoke) – YouTube
“Kein Blatt Papier, kein Dokument/ Bestimmen meinen Wert als Mensch /Was soll der Papierkrieg? /Was soll der Papierkrieg?”
Beitragsfoto: c) Katja Ruge
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