Manic Mittwoch pt. 27: Nicht wach? Der Stuckrad-Barre Roman und seine Rezeption.

von Kersty

Warum wir auf allen Ebenen des Patriarchats spielerische Spielverderber*innen brauchen und Stuckrad-Barres Buch ein verdammt guter Roman ist, und noch mehr!

Ich hab mir die Rezeption von Benjamin von Stuckrad-Barres vieldiskutiertem Hype-Roman “Noch wach?” mal ganz genau angeschaut. Ebenso auch das Buch. Seit Wochen schon trage ich diesen Text mit mir herum.

Es fiel mir nicht leicht, das alles zu beschreiben, da ich ja wirklich den ersten #metoo (Pop-)Roman in deutscher Sprache geschrieben habe. Und zwar aus der von mir mitgestalteten SlutWalk-Bewegung heraus. Und zwar schon vor 9 Jahren. Was aber keine*r geschrieben hat, obwohl das Buch damals durchaus rezipiert worden ist und seine Käufer*innen fand. Wenn bestimmt 100.000  weniger 🙂

Aber dennoch bin ich mehr auf der Seite von Stuckrad und seinem echt tollen und ja, auch originellen Roman. Als auf der Seite derjenigen, die meinen, Männer sollen keine #metoo Romane schreiben dürfen und die Leselisten von female #metoo-Romane vermissen. Hier jetzt also meine Version von:

 

“DAS WIRD MAN JA WOHL NOCH SAGEN DÜRFEN!”

 

Wenn es eine Sache gab, die MICH an der Rezeption des Stuckrad-Barre-Romans „Noch wach“ störte, dann war das garantiert nicht die Begeisterung der meist männlichen Rezipienten; nicht die Erzeugung eines Presse-Hypes bezüglich dieses angeblich ersten #metoo Romans in deutscher Sprache. (Hallo, hab ich den nicht geschrieben? War das nicht „An einem Tag für rote Schuhe“ von einer gewissen Kersty Grether, damals, als das ganze Ding noch nicht #metoo hieß, sondern Slutwalk und Aufschrei – oder allgemein formuliert: Alltagssexismus auf der Straße und bei der Arbeit. )

 

Nein, was mich – leider ganz im Gegenteil! sehr ins Denken brachte, war die unhinterfragte, harsche Ablehnung des Stuckrad-Barre-Romans durch einen vielstimmigen Chor aus Feministinnen, was ja erstmal etwas Gutes bedeutet. Ich meine natürlich den Reigen aus Feministinnen. Alle fanden den Barre aber schlimm, von der Literaturkritikerin Iris Radisch bis zur intersektionalen, mir im Prinzip sympathischen Autorin Sarah Raich, von Thea Dorn bis zur Twitter-Linken, vereinfacht gesagt. Dass sie alle immer wieder nur diesen EINEN Punkt gemacht haben, dass ein MANN über ein Thema geschrieben hat, von dem FRAUEN betroffen sind…

 

In meiner Eigenschaft als Aktivistin, Slutwalk-Berlin-Mitbegründerin und Pressesprecherin (im Jahr 2011); als Betroffene sexualisierter Gewalt (in „Noch wach?“ einigen sie sich auf den Begriff „Belastungszeuginnen“ statt „Opfer“ oder Betroffene) die ganz am Anfang dieser protestreichen zehner Jahre daran beteiligt war, dass dieses Thema zum Medienthema wurde, und natürlich auch als Künstlerin, möchte ich mal die Frage stellen: war das nicht das, was wir uns immer – AUCH – gewünscht haben: Mächtige Männer, die ihre Seilschaften zu solchen Männern in Power in Frage stellen, die sich in dieser Vergewaltigungskultur scheußlich und missbräuchlich verhalten?  Und die hartnäckig und auch auf die Gefahr hin, selber Schaden zu nehmen, diesen Typen ins Gewissen reden bzw. ihre Chefs konfrontieren. Die somit die Probleme der „Betroffenen“ oder „Belastungszeuginnen“ zu ihren eigenen Sorgen dazu addieren? Sich in ihrer Funktion als mächtige Männer nützlich machen für das Ende dieser Rape und Missbrauchs-Culture? War dieses „Schaut nicht weg“ nicht immer auch eine zentrale Forderung an Männer. Die uns doch nicht allein die Drecksarbeit überlassen dürfen.

 

Haben wir nicht sogar 2013 vor dem Springer-Gebäude demonstriert, weil uns die BILD- Berichterstattung zu unserem Thema absolut missfiel? Mit so bezeichnenden Sprüchen wie „98 % aller Chefredakteure in Deutschland sind Männer“ oder auch schlicht: „Smash Rape Culture.“

 

Ist es nicht immerhin auch ein wichtiger Teil vom Rape-Culture-Porzellan, das Stuckrad-Barre da in „Noch wach?“ zerdeppert?

Wäre es besser, würde es uns weniger wütend machen, wenn Stuckrad-Barre einen Bestseller zu einem anderen Thema geschrieben hätte? Warum erkennen wir die Bevorzugung und Macht männlicher Schriftsteller ausgerechnet dann, wenn sie sich mal ein feministisches Thema ausgesucht haben? Weil wir das selber gerne gemacht hätten? Warum haben wir denn dann diesen Roman nicht einfach selber geschrieben, wenn wir schon Schriftstellerinnen sind?

Ist es nicht vielmehr so, dass gerade im Sinne des intersektionalen Denkens jede*r eben nur das von der eigenen Sprechposition geprägte Buch über dieses Thema schreiben kann?

 

Und Stuckrad-Barre hat seins geschrieben!

 

Ein Glücksfall vielleicht, weil bei ihm noch etwas hinzukommt, was man in einem Pop oder Dissidenz-Diskurs auch als „Sprechposition“ bezeichnen könnte: immerhin war er zur richtigen Zeit am richtigen Ort, als der  #metoo-Skandal losging, und auch schon davor, als es bereits die ersten Gerüchte/ Stillschweigehandlungen gab. Er war am Sunset Boulevard in Hollywood, im Chateau Marmont Hotel, unter dem schönen Zitronenbaum, den man schon aus seinem Roman „Panikherz“ kennt, und in der BILD-Gluthitze, als endlich genug Frauen öffentlichkeitswirksam gegen die sie drangsalierenden, ausbeutenden, kontrollierenden, missbrauchenden, kurz gesagt Arschlochchefs mobil machten. An solchen Orten zu solchen Zeiten muss man auch erstmal sein. Er hat sich also als Autor in eine gute Sprechposition gebracht, in eine Beobachterposition, aus der man als Schriftsteller echt was erfährt für seine Texte/Bücher. Das hat in der Pop-Literatur eben einen Wert, dass man irgendwo war, wo es passierte. Ich zum Beispiel war da, als die Bewegung begann, habe sie in Berlin mitgestartet. Es geht im Leben, jedenfalls in der Popkultur, nicht nur um die richtige Meinung. Besser man war irgendwo Spannendes, wo man auch von anderen Menschen etwas mitgekriegt hat, was die so meinen oder so. Wo Bewegungen gestartet werden oder im Mainstream explodieren. Mein Credo daher:

 

Schafft eins, zwei, drei, vier, viele #metoo Pop-Romane!

 

Stuckrad-Barre hatte eine für dieses Thema doppelt interessante Sprechposition, was nicht bedeutet, dass er auch eine Opferposition hat. Können wir Sprechposition schon gar nicht mehr als etwas Freiwilliges denken? Als etwas, wo man sich selber reingebracht hat. Das ist doch auch etwas, wofür so viele Subkulturen gekämpft haben. Nicht nur die uns von der Gesellschaft von Geburt an zugeschriebene Sprechposition, sondern auch eine selbstgesuchte. Letzteres sollte doch am Ende all der Identitätsdiskurse stehen. Er hat also das männliche Privileg und die Position des hochfinanzierten Hofnarrs: er war auch an einem Ort, wo die Ereignisse sich zugespitzt haben. So etwas wie ein Leben am Pool in Hollywood muss man wollen. Da ist man nicht einfach so.

 

Ich zum Beispiel könnte mir nichts Schrecklicheres vorstellen, als dort oder im Verbund mit dem Chef der Bildzeitung mein kostbares Leben zu verbringen. Ich wüsste auch nicht, was das meinen Texten bringen sollte. Auch wenn da noch so tolle bunte Vögel herumschwirren.

 

Dann doch lieber die „linksversiffte“ Autonomen-Kneipe in Neukölln, wo man sich für zwei Euro einen Apfelsaft aus der Kühlbox holen darf und den Schlüssel am Ende der Versammlung einem blauhaarigen Punk in einer noch selbstverwalteteren  Kaschemme in Kreuzberg zurückbringt, weil der am nächsten Morgen Plenum hat.

 

Aber das Patriarchat kann man auf viele Weisen smashen. Und einen guten Roman kann man auf viele Weisen schreiben. “Rape me“  von Nirvana  oder „Nightswimming“ von REM kann man in vielen Kontexten hören.

 

Hallo war das nicht die Idee von Empathie? Sollen Männer nicht einfach auch emphatisch sein mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt? Zumal Stuckrad-Barre ja schreibt, dass er diesen scheußlichen Missbrauch auch schon – als Berufsanfänger – SELBST erlebt hat.

 

Selbstverständlich liest sich mein #metoo Roman (ich nenn es einfachheitshalber mal so) ganz anders als der von Benjamin von Stuckrad- Barre. Wenn ich jetzt mal angeben darf, was letztendlich die einzige Macht ist, die man noch hat, als weibliche Avantgarde.

 

Es ist ja ein Unterschied ob ich so einen Roman aus der weiblichen Betroffenenperspektive schreibe (die auch noch, um den Aktivismus zu starten, ihr eigenes Wohnzimmer vermieten musste, weil es sich ja kaum ein Mensch leisten kann, unbezahlt mal so eben ein, zwei Jahre eine – von #metoo inspirierte und #metoo inspirierende  –  Bewegung mitaufzubauen, die gegen sexualisierte Gewalt kämpft) oder aus der Perspektive eines  Freundes und Nutznießers derjenigen Arschlöcher, die auf Teufel komm raus Bock haben Berufsanfängerinnen ins Bett zu kriegen.

 

Aber wollten „wir“ denn nicht immer, dass sich die sogenannten „guten“ Männer mal ganz heftig mit diesen Idioten anlegen?! Mich hat das immer interessiert: wie das wohl klingen würde, welche Worte da so kommen, wie sich das im Gewissen oder Bewusstsein des einzelnen Mannes so langsam verfestigt, dass da wohl etwas deutlich schief läuft.

 

Die Stimmen, die sagen, Stuckrad-Barre habe jahrelang von diesem System profitiert, gegen das er jetzt „schießt“, und das sei irgendwie unlauter, das gehe jetzt so nicht mehr (war das nicht die zentrale Idee von z.B. Punkrock?)  müssen sich von mir jetzt hier die Frage gefallen lassen: wollt Ihr überhaupt, dass die Verhältnisse, wie man so schön, und in diesem Fall treffsichererweise sagt, dass sie sich ändern? Wie soll sich etwas ändern, wenn nicht alle, die auf ihren Positionen sind, das Möglichste tun, um es zu verändern? So dass sie vielleicht am Ende nicht mehr auf diesen Positionen sind, aber ein gutes Buch geschrieben haben?

 

Das Möglichste, was ein Bestseller-Autor tun kann, ist einen Bestseller darüber zu schreiben, und dem Thema somit zu Reichweite und Akzeptanz zu verhelfen.  So jämmerlich das jetzt klingen mag. Ist das jetzt das Böll-Argument? Egal.

 

Ich finde wir sollten Stuckrad-Barre nicht im Wald stehen lassen, als den bösen Wolf, der seine Rechte verspielt hat, das arme Rotkäppchen zu beschützen. Punkrock ist: die Seiten zu wechseln bzw. zu erkennen, dass Wolf und Rotkäppchen in einer Seele schlummern, blöd gesagt. Wenn mehr Frauen in Machtpositionen kommen, wenn mehr marginalisierte Menschen mächtig werden, dann müssen die ehemals Mächtigen auch das Recht bekommen Positionen von Ohnmacht zu erleben und zu beschreiben.

 

Das meine ich voll im Ernst. Erzählt mir jetzt nicht, dass Stuckrad-Barre sich auf unser aller Kosten, Aneignung und so, bereichert. Das erscheint mir in diesem Fall wirklich der falsche Vorwurf. Man kann natürlich immer einem Mann vorwerfen, dass er seine Aufmerksamkeit nur seinem Privileg zu verdanken hat.

 

Von Autorinnen, die noch vor wenigen Jahren das Gendern unter Verdacht hatten unsere schöne Sprache zu beschmutzen, die Feminismus zwanzig Jahre lang strikt ablehnten und die wenn, dann einen FDP-Feminismus vertreten haben und sich als Pionierinnen gerierten, während sie die wirklich Pionierinnen einfach ignorierten, und die ja genau deshalb: WEIL SIE SO GUT IN DEN REAKTiONÄREN, NEOLIBERALEN ZEITGEIST DER SCHRÖDER UND MERKEL-ÄRA GEPASST HABEN!! – vom deutschen Literaturbetrieb einfach alles bekommen haben, was geht, will ich mir echt kein Gejammer (hier ist das Wort mal angemessen) darüber anhören, dass eine Schriftstellerin öffentlich so einen Hype ja nie kriegen würde, und wie benachteiligt sie doch im Vergleich zu Barre sind.

 

Benachteiligt? Juli Zeh? Thea Dorn? Eva Menasse? WTF!

 

Zumal „Noch wach?“  ja „nichts Neues“ erzähle. Für diese die meiste Zeit ihres Lebens antifeministisch agierenden Autorinnen wird ja wohl noch genug Neues drin stehen, würde ich mal annehmen, auch wenn ich den Roman nicht gelesen hätte. Selbst für mich steht da noch viel Neues drin, obwohl ich mit dem Thema „Machtmissbrauch durch mächtige Männer“ seit, sagen wir mal, meinem zehnten Lebensjahr vertraut bin. Aber Leute, die über einen langen Zeitraum broke waren, hat der deutsche Literaturbetrieb ja noch nie aufgefangen, sondern immer nur weiter ausgegrenzt. Aber, keine Angst, es geht mir gut, sehr gut sogar: etwas Besseres als mein Geld mit #metoo Romanen zu verdienen ist mir durchaus eingefallen im Leben. Ich will das jetzt alles mal so analytisch-langweilig und un-polemisch wie nur möglich beschreiben /runterhauen, diesen Text. Ich krieg ja kein Geld dafür.

Aber: Es braucht einen Mutigen und so. Dies hier könnte also auch ein Tagebucheintrag sein, den ich mir in ein paar Jahren nochmal durchlese, und mich dann freue, dass es diesen Text immerhin gibt.

 

Apropos: aufschreiben. Oftmals war in den Rezensionen auch die Rede davon, dass die von Springer missbrauchten Frauen ja selber ihre Geschichte gar nicht aufschreiben können, und wie ungerecht das ist, dass der Barre damit Kohle und Ruhm macht. Es ist nicht so, dass ich diesen Einwand vollkommen falsch finde. Berührt er doch das Kernargument des intersektionalen Denkens. So wie im (vulgär-)marxistisch verstandenen Denken: der Arbeiter wird ausgebeutet durch den Unternehmer, och menno, immer muss der einen Mehrwert erschaffen oder so.

 

Ja, okay, es ist immerhin auch das Zeichen für einen linksgedrehten Zeitgeist, wenn jetzt schon die spießigsten Schriftstellerinnen das nachbeten können, diese Grundidee des intersektionalen Feminismus: reflektier mal deine Sprechposition! Wer spricht, wer wird am Sprechen gehindert und warum? Und so weiter. Aber: waren es denn nicht genau die von den Springer-Bossen missbrauchten Frauen, die Stuckrad-Barre auf ihren Fall angesetzt haben? Warum empfinden wir diese Frauen als so machtlos? Sie haben sich doch einen Ausweg überlegt? Sie haben immerhin Stuckrad-Barre auf ihren Fall angesetzt, ihn direkt angesprochen? Haben wir keinen Respekt vor diesen Belastungszeuginnen, weil sie nicht selber einen Roman über ihre Situation geschrieben haben? Wer macht das schon? Man kann sich auch aus der Scheiße retten, ohne einen Roman darüber zu schreiben. (Wie der deutsche Literaturbetrieb mit Frauen umgeht, die selber einen Roman über ihre Lage schreiben: Interviewanfragen, Spenden o.ä. gerne an mich!)

 

Könnte es nicht andererseits daran liegen, dass die bei Springer missbrauchten Frauen halt keine Roman-Autorinnen sind? Können wir den Respekt für ein künstlerisches Werk so einfach beiseite lassen? Kann vielleicht nicht jede*r Betroffene einen Roman über die Situation schreiben? Ich könnte auch kein Bild darüber malen. Auf jeden Fall keines, das es im Kontext von Kunstgeschichte und ästhetischen Relevanzkriterien mit anderen Kunstwerken aufnehmen kann. Ich könnte kein Tanztheater darüber machen. Ich hätte auch Schwierigkeiten einen Film zu drehen, der davon handelt. Ich hätte vielleicht noch eine Reportage hinbekommen, aber am liebsten habe ich mich dem Thema „sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Alltagssexismus“ tatsächlich in einem Roman genähert.

 

Irgendwie war es mir nicht mal gegeben ein Lied darüber zu schreiben, obwohl ich den ganzen Tag an Songs arbeite. Vielleicht weil nicht jeder Betroffene jedes Thema, das ihn zu Tränen und Trauma rührt, auch gleich in ein vollumfänglich fantastisches Kunstwerk verwandeln kann? Frag mich mal, wer meine Betten zusammengeschraubt hat, ich war`s nicht.

 

Was ich damit sagen will, ist klar: auch wenn diese missbrauchten Frauen als Journalistinnen gearbeitet haben (ich hab nicht wirklich Respekt vor Leuten, die für die Springer Presse arbeiten, aber akzeptiere es, was auch sonst), so ist noch lange nicht sicher, dass ihnen auch ein guter und vielbeachteter Roman darüber gelungen wäre. Können sie aber nicht zumindest ein bisschen froh und auch stolz darauf sein, dass ihre scheußliche Situation nun auf Platz 1 der Bestseller-Listen verhandelt wird? Es wäre etwas anderes, wenn sie nicht gefragt hätten. Wenn man sie ans Licht gezogen hätte, ohne dass sie das wollen. Schreib niemals die Vergewaltigung oder den Missbrauch eines Menschen auf, der dich nicht darum gebeten hat! (Mir ist das als ganz junges Girl passiert, das birgt Triggergefahren von unerträglichen Ausmaßen.)

 

Also ist doch alles in Ordnung mit dem Barre-Buch. Wo ist das Scheiß-Problem?  Liegt das Problem in Wirklichkeit nicht ganz woanders?

 

Wir haben nicht gelernt Schriftstellerinnen, Musikerinnen, Künstlerinnen auf dieselbe Weise zu lieben, zu umarmen, wie wir das mit Schriftstellern, Musikern, Künstlern tun! Und hier trifft sich die Auswechselbarkeit der Berufsanfängerin mit der Austauschbarkeit von Künstlerin. Hier wird das Thema richtig interessant. Hier haben die intersektionalen Feministinnen etwas ganz Tolles aufgespürt: dass man ihnen niemals so zugehört hätte wie ihm, wenn sie ihres aufgeschrieben hätten. Weil sie spüren, dass sich Frauen keinen Namen machen dürfen/sollen, oder?  Die Ideologie des Sexismus, die Antriebskräfte der Misogynie, das ganze fucking Patriarchat, die verdammte beschissene Rape Culture, sie alle haben – wenn man es nett und aufgeklärt betrachten wollte – eben auch dafür gesorgt, dass wir Frauen nicht für ihre Einzigartigkeit, ihr Genie, ihre Individualität, ihr So-Sein lieben!

 

Alles Eigenschaften, die einem künstlerischen Werk aber zugrunde liegen. Und deshalb kann es so wehtun, dass ein Mann dieses Buch geschrieben hat. Einer, der eigen sein darf, der sich selbst sein darf, der wachsen darf, der älter werden darf. Das Gegenteil der austauschbaren Berufsanfängerin ist der etablierte Star!

 

Teil der Strukturen ist ja leider auch, dass viele es nicht einsehen, sich über Kunstäußerungen von Flinta wirklich zu freuen, sie wirklich als etwas Schönes, Wahres, Bedeutendes zu empfangen. Und plötzlich spiegelt uns  die Barre-Rezeption das, ja bei den Männern fällt es uns plötzlich auf:  wie sie alle den Stuckrad-Barre lieben! (Das war ja auch nicht immer so.)

 

Diese Liebe, diese Euphorie. Ja, der Typ hat Fans. Die Fans kaufen das Buch. Die Romanautorin, die frenetisch Beifall bekommt, die rockstarmäßig auftritt, ist selten. Auch wenn es solche mit Potential dafür sicher gäbe 🙂  Das macht Stuckrad-Barres Buch nicht schlechter. Wir können das System nicht an einem Tag ändern, auch nicht an einem Tag für rote Schuhe, und auch nicht, wenn wir Romane von Männern ignorieren oder zur Ignoranz aufrufen, wie so manche intersektionale Feministin das getan hat. Was soll das für ein Denken sein, das das Ignorieren eines Kunstwerks zum Gegenstand einer Handlung erklärt?

 

Mein erster Impuls war: ich will das lesen. Was steht da drin? Ist es ihm gelungen eine Form zu finden diese Älteste aller Geschichten – vielleicht sogar neu –  zu erzählen? Was reden die Jungs untereinander? Und tragen sie vielleicht alberne Sonnenbrillen? Ja!  Wie beschreibt er diese Sorte Machtmensch in einem Roman? Hat er den Safe zur Wahrheit geknackt? Was sind seine Zugangsdaten? Wie fühlt sich das Ganze aus der Sicht des Ironiebewussten an.

 

 

#Metoo  an sich war doch auch von ganz oben. Ich mein: eine Bewegung, die von Hollywood-Schauspielerinnen angeführt wird, haha. Die wirklichen Aktivistinnen sind auch immer noch in Therapie. Oder waren es, bis gerade eben, frag mich. Nicht gerade die Traumbesetzung einer Graswurzelbewegten, wenn Hollywood-Stars plötzlich deinen unbezahlten Job machen. Die Schauspielerinnen konnten dies System ja nur von oben herab sprengen, weil es unten weltweite Bewegungen (mit Hunderttausenden von Demonstrierenden ) gab!, die schon die ganzen zehner Jahre lang mobil machten. Und die Medien mit ihren aufsehenerregenden Bildern und Parolen dazu gebracht haben, zu berichten. Für die Hollywood- Schauspielerin wars dann auch nicht mehr der allergrößte Mutanfall. Oder Risikobereitschaft. Es geht ja nicht nur darum Namen von mächtigen Männern zu nennen.

 

Es ging bei der SlutWalk-Bewegung darum,  das ganze Thema, mit all seiner Begrifflichkeit, die damals neu war (Slutshaming, Opfer/Täter-Umkehr, Vergewaltigungsmythen ) überhaupt erstmal zu denken, und sich darum zu kümmern, dass viele Menschen das in ihrer Ganzheit denken können! Es ist ja noch nicht so lange her, dass auch vermeintlich gutmeinende Geister zu bedenken gaben, wer einen kurzen Rock träge, habe eine Mitschuld an einer Vergewaltigung. Über den SlutWalk haben wirklich alle Medien berichtet, nur die Musik und Pop-Medien nicht, by the way. Genau diejenigen also, die jetzt meinen, in Stuckrad Barre den Stein des Weisen gefunden zu haben. Na ja, besser spät als nie.

 

An manchen Tagen ist es mir  auch egal, wer die Welt verändert. Ob das meine Leute sind (haha), ob ich das bin, ob das vielleicht sogar diejenigen sind, die ihren Teil dazu beitragen, dass die Welt so schlecht, so böse, so abgrundtief gemein geworden ist. (Wie wir alle, sogar die Betroffenen. Jeder hat doch mal irgendwo weggesehen. Wer ohne Schuld ist usw.)  Doch zu Beginn der zehner Jahre hat das Thema kaum ein Mensch verstanden. Es ist  fast schon der Inbegriff der deutschen Macht-Mentalitätsgeschichte, dass sich der Chef auf die jüngere Auszubildende „stürzt“. Das war ja immer schon das Vorrecht der Macht. Ich habe das immer so gehasst! Ich weiß noch, wie ich es gar nicht fassen konnte, wie ich nach meiner Zeit bei der SPEX dann für das Feuilleton verschiedener Zeitungen (nein, nicht Springer) geschrieben habe, und jedes Mal hat der Typ, der mir die Aufträge gegeben hat, selbstverständlich versucht mich abzuschleppen. Sie machen es so: sie geben der jungen Frau irgendetwas: eine Kolumne, einen Leitartikel, vielleicht sogar einen Autorenvertrag etc. und schauen dann mal, gehen in Vorleistung, mal darauf hinarbeiten, dass sie im Verlauf der nächsten paar Monate „schwach“ wird. Falls nicht: keine Aufträge mehr. Ist mir oft passiert.

 

Ich war immer glücklich, wenn eine Frau oder ein schwuler Mann  (oder Thomas Venker) der leitende Redakteur war. Ansonsten galt doch auch in den seriösen Medien in all diesen Jahren: wenn du als Journalistin aufsteigen willst, dann sei mal ein bisschen nett zum Chef. Am liebsten in der Badewanne. In der Hotelbar. Zum Glück wollte ich nicht aufsteigen. Zum Glück wollte ich Musikerin und Romanautorin werden/sein. Hatte mein Pulver schon bei der SPEX verschossen, mein journalistisches Ego ist klein, auch wenn ich viele Artikel geschrieben habe. Aber ich musste halt auch meine Miete bezahlen. Mein #metooRoman spielt ja im Musikgeschäft. Nicht minder scheußlich, was da so geht oder nicht geht. Ich will wirklich, dass sich das ändert! Dazu brauchen wir Jungs, die auf unserer Seite sind. Oder meinetwegen auch Männer, die auf die Fünfzig zugehen, die auf unserer Seite sind.  Überhaupt: was soll denn auch dieser Ageism! Dieses Blamen, dass Stuckrad bei seiner Lesung ein “jungshaft wirkendes Ringel-T-Shirt” trug. Mit Leuten, die jetzt auch noch Vorschriften für Kleidung nach Alter gestaffelt machen wollen, will ich jedenfalls in dem Leben nichts zu tun haben! Das ist so spießig wie Doppelmoral. Und sogar noch langweiliger.

 

Und was soll es schon schaden, wenn den Arschlöchern auch von Platz 1 der Bestseller-Listen mal so richtig links und rechts aufs Maul gehauen wird, wie man das mit Mobbern ja so machen soll. Von einem der auszog, die Moral das Fürchten zu lehren und der dann aber doch noch kapiert hat, dass rechte Brüllmedien und autoritäre Chefs, die little Girls besitzen wollen, nicht glamourös sind, nicht ironisch wertvoll, nicht cool.

 

Es ist nicht cool die jüngere Berufsanfängerin zu ficken. Das muss sich doch auch erstmal in eine neue Mentalität umsetzen. Es ist nicht glamourös, Menschen, die ihre Miete bezahlen müssen und die zu diesem Zweck einen Beruf ausüben, mit bossy Manieren in den Wahnsinn und in die Sucht zu treiben. Es ist ein Verbrechen und DAS WIRD MAN JA WOHL NOCH ANZEIGEN DÜRFEN.

 

Ich persönlich finde Macht übrigens nicht besonders sexy. Ich wusste immer gar nicht, was die Typen von mir wollen. Ich fand sie einfach nur lächerlich. Aber die Menschen sind unterschiedlich, Die Milieus. Die Formen von Machtmissbrauch ähneln sich, aber sie vollziehen sich oft in geschlossenen Räumen zu denen wir keinen Zutritt haben.

 

Als ich damals mit den sieben Mitstreiterinnen, die von der Slutwalk-Crew noch übrig waren bei minus 4 Grad zum Troublemaking vor dem Springergebäude aufgerufen habe, an diesem wirklich verdammt kalten Februar-Tag im Jahr 2013, im Rahmen der „One Billion Rising“-Demo, und wir dann einfach absolut gar kein Publikum hatten, weil wer verirrt sich schon gern in die Nähe der Springer-Zentrale, außer einer taz-Journalistin, die über unser kleines Straßen-Rave einen schönen respektvollen Artikel geschrieben hat, hätte ich mich gefreut, wenn ich gewusst hätte, dass es nicht immer so weiter geht. Dass auch in diesen Räumen mal irgendwer das Licht der Wahrheit, die Scheinwerfer anknipsen kann. Dass nicht nur die Ideologie des Machtmissbrauchs, sondern sogar die Handlung an sich im Inneren des Machtapparats angezeigt und gestoppt werden kann. Auch von Gerichten. Musste auch erstmal erkämpft werden. Das neue Sexualstrafrecht und so … Das war alles vor #metoo.

 

 

Es darf nie wieder cool sein… ihr wisst schon.

Dafür brauchen wir doch die Kunst, die Literatur, den Pop.

Wofür denn sonst?

 

Natürlich wäre es schön gewesen, Stuckrad-Barre hätte bei seinen Lesungen Leselisten mit Büchern, die das Thema ebenfalls haben, ausgelegt. Aber hey, dann wiederum: Leselisten? Seriously?

 

Es muss auf allen Ebenen des Patriarchats Spielverderber*innen  geben! Wir sollten uns solidarisch mit ihnen verhalten. Wer sich mit diesen verheuchelten Brutalos anlegt, hat auf jeden Fall meine Sympathie.

 

Es ist nicht Stuckrads Schuld, dass diejenigen, die die Spiegel Titelgeschichte geschrieben haben, dringend mal ihre Hausaufgaben hätten machen sollen, in punkto intersektionaler Feminismus. Wieso darf denn Stuckrad-Barre nicht auf der Literaturhaftigkeit seiner Literatur bestehen? Muss jetzt plötzlich alles kurze, knappe Erlebniserzählung sein, zielorientiert? Ist “die Wahrheit” jetzt gleichbedeutend mit “Realität”? Und warum war ausgerechnet Barres Sprechposition als Mann nicht Thema in diesem sich ja so kritisch und politisch gerierenden, ersten Interview zum Buch.

 

Verständlich, wenn das Fehlen dieser Thematik im Spiegel-Interview bei Feministinnen den Notreflex, oder besser gesagt den Kotzreiz ausgelöst hat!  Man kann ja nur allergisch reagieren, wenn alles, wofür man seit Jahren kämpft, dann überhaupt nicht zur Sprache kommt.  Erwähnen, verhandeln,  dass ein erfolgreicher Mann ein Buch über dies zum Schweigen-Gebracht-Werden von Frauen geschrieben hat,  sollte man natürlich schon!  Man muss ja dann nicht zu dem Ergebnis kommen, dass das in dem Fall ein unüberwindbares Problem darstellt.

 

Es ist schon merkwürdig, wie die Boys-Riege dieses Buch abfeiert, scheints ohne jegliches Gespür und Wissen über identitätspolitische Diskurse.  Zum Beispiel auch im eigentlich recht schönen Artikel im Rolling Stone. Bei dem man sich fragen kann, ob das jetzt eigentlich tragisch ist. Die Jungs, die ja ebenfalls von der Springer Presse sind, wollen diesem Buch jetzt gar nichts mehr anhaben, um zu zeigen, dass auch sie die Guten sind. Und vergessen darüber wirklich die Frauen. Und auch die seit Jahrzehnten frauenausschließende Praxis in ihren eigenen Redaktionen.  Eine scheußliche Dynamik auf beiden “Seiten” ist so entstanden.

 

Das kommt davon, wenn man glaubt, dass Feminismus allein Frauen was angeht. Ist es dann im Endeffekt die identitätsdiskurs-ignorierende Rezeption der männlichen Journalisten, die die weiblichen Rezipienten dazu gebracht hat, gleich alles, was mit dem Buch zusammenhängt in Bausch und Bogen zu verdammen?

 

Auf beiden “Seiten” ( ja, man könnte wirklich von zwei Fronten sprachen) nervt, dass sowohl die Journalistinnen als auch die Journalisten so tun, als wäre es für sie seit Jahren und Jahrzehnten völlig selbstverständlich die Betroffenen von sexualisierter Gewalt zu verteidigen, als hätten sie natürlich die Machtgefälle an ihren Arbeitsplätzen schon immer in Frage gestellt. Und selbstverständlich waren sie alle schon immer Feministinnen und Feministen. Als hätte es in Deutschland, zwischen, sagen wir 1990 und 2017, einen nennenswerten Feminismus in diesen Zeitschriften und Zeitungen gegeben. Mitnichten! Die kleine Flamme des Feminismus, die ein paar wenige immer wieder versuchten anzuzünden, wurde doch sofort immer wieder ausgepustet. Und die Feministin belästigt und gemobbt. Als ließen sich sexualisierte Machtgefälle nur in der BILD Zeitung beobachten. Als säßen sie nicht seit Jahren und Jahrzehnten (als Teil des Problems und nicht als Teil der Lösung)  alle mittendrin in der sexistischen Medienscheiße.

 

Aber obwohl das so ist, ist es wichtig, zwischen Rezeption und Kunstwerk zu unterscheiden. Nur weil Männer das Genie-Sein für sich reklamieren, sehe ich es noch lange nicht ein, die Idee von  Kunstwerk an und für sich aufzugeben, und an die Stelle nur noch Erlebniserzählungen aus der Betroffenen-Perspektive zu setzen. Ja, ein Kunstwerk nimmt sich unverhältnismäßig viel Zeit und Raum die Welt zu betrachten. Klar könnte man in der Zeit, in der man das liest, auch bei der Opferhilfe am Telefon sitzen oder Kinderwindeln wechseln. Aber das ist eine echt extrem scheußliche und gelegentlich schon ins  Rechtsextremistische  lappende Einstellung zur Kunst!

 

Ja, Kunst kann sich schon mal anfühlen wie überflüssiger Luxus, und genau so soll es auch bleiben.  Wenn man den Übermut eines gelungenen Kunstwerks nicht mehr in sein eigenes Leben integrieren kann, dann haben einen die Verhältnisse aber wirklich gefickt. Daran ist der ewige Sündenbock Stuckrad-Barre  natürlich auch noch Schuld, war klar.  Wenn z.B. eine STERN-Kolumnistin einerseits dem Barre-Roman ihre ganze Kolumne widmet und anderseits schreibt, sie kann das Buch leider nicht lesen, weil sie es nicht kaufen kann. Sie hat diesen Monat schon 25 Euro in Spaghetti-Eis investiert, dann wünscht man sich,  sie hätte stattdessen eine Kolumne über Spaghetti-Eis geschrieben. Oder soll sie doch, ab jetzt, eine monatliche Kolumne über Kunstwerke (Bücher, Platten usw) von Frauen schreiben! Wenn sie dafür nicht zu eitel ist. Weil sie dann natürlich nicht immer nur über sich selber schreiben kann.

 

Will sagen: warum fällt es den Kritikerinnen eigentlich JETZT ERST AUF, wie schlimm es nach wie vor um die Rezeption von female Kunstwerken in (und aus) Deutschland bestellt ist?  Es gibt ja seit längerem diese Statistiken, wonach 2/3 aller im Feuilleton besprochenen Themen von Männern gemachte Kunst ist. Dann sollen diese Kritikerinnen das doch jetzt einfach mal ändern, bitte!  Wofür haben sie sich jetzt das bisschen space erkämpft.

 

Ich habe vor einiger Zeit aufgehört für den eigentlich tollen feministischen ZEIT Blog “10 nach 8 (politisch, poetisch, polemisch)” zu schreiben, weil man dort keine Kritiken von Kunstwerken oder Konzertkritiken veröffentlichen will. Ich verstehe das in keinster Weise, es ist mir als Denkweise vollkommen nicht gegeben.  Die Frau soll immer nur poetisch aus ihren Erlebniswelten plaudern und diese politisch einordnen, oder was?  Na bitte, dann werden halt weiterhin Männer Romane von Männern hypen. Und das wars. (Einfach, weil sie Fans sind. Das sind ihre Erlebniswelten. Hey hallo, ich will auch ein Leben in der Kunst!).

 

Und apropos ZEIT: so war es ja tatsächlich die Literaturkritikerin und Leiterin des ZEIT-Feuilleton Iris Radisch, die, 2o11, von TTT nach dem SlutWalk befragt, diese zu dem Zeitpunkt erste feministische Demonstration ever, die sich mit allem beschäftigte,  worum es später bei #metoo ging,  als völlig indiskutable “Ulkveranstaltung” bezeichnete.

 

Dieselbe Iris Radisch, die jetzt Stuckrad-Barre vorwirft, ein schlechter Mensch zu sein, weil sein Buch so oberflächlich sei und er sich aber am Leid der Frauen bereichere. Iris Radisch hat scheinbar immer noch den absoluten Anti-Pop-Reflex. Eine feministische Demonstration kann sie nicht anerkennen, wenn diese mit den Mitteln von Pop-Feminismus kämpft. Einen Roman zum Thema kann sie nicht anerkennen, wenn dieser ein Pop-Roman ist. Wie deep, deutsch, dreckig soll´s denn zugehen, damit Iris Radisch es nicht als Ulk empfindet.

 

Zumal man da natürlich schnell zu dem Ergebnis kam, sie würde das ganze unwichtige Thema Vergewaltigung im öffentlichen Raum als Ulk empfinden. Die Frage, wer jetzt hier einen oberflächlichen Umgang mit dem Thema hat, muss dann jetzt an dieser Stelle nicht mehr gestellt werden. Es ist jedenfalls echt ulkig, wenn Leute, die jahrzehntelang in ihrer journalistischen Praxis Feminismus verdrängt haben, jetzt so stolz darauf sind, dass sie drei Minuten vor Barre auf die Welle aufgesprungen sind. Natürlich nur, weil`s `ne Welle ist.   (Wenn überhaupt. Barre hat schon in den 1990ern über  Essstörungen geschrieben; als die Medien noch leugneten, dass dies ein Problem ist, das sich in der Sphäre von Sexismus befindet).

 

Da will man wirklich nur noch dem Berliner Winter entkommen, der in “Noch wach?” fast noch fantastischer beschrieben wird als der Machtmissbrauch. Dieser Berliner Winter fickt uns alle nochmal obendrein. Und wahrscheinlich herrscht er auch längst schon in den Seelen dieser verhärteten Diskurs-Fronten. Vielleicht sollte Barre das Buch nochmal im Sommer veröffentlichen? Und alle würden es lieben 🙂

 

Also kurzum:

 

Wenn man Stuckrads Buch unter Generalverdacht stellt, nur weil er ein erfolgreicher Cis-Mann ist, spielt man damit letztlich doch nur den Machtmissbrauchsarschlöchern und Vergewaltigern in die Hände, die in dem Roman endlich mal in all ihren arroganten, autoritären, auch weinerlichen, auch unterwürfigen Facetten gezeigt werden.

 

 

 

Beitragsfoto Stuckrad-Barre:  Johannes P. Albert/dpa