Interview von Kerstin, Text von Sandra
“Es ist gut, dass es hier keine Sperrstunde gibt!”
Moon Gears selbstbetiteltes Debut-Album ist gerade erst Anfang des Jahres via “Baby Satan Records” erschienen. Darauf gibt es feinsten, minimalen Post-Punk. Der Konzertveranstalter Ran Huber schwärmte: es sei das beste Release Konzert einer neuen Band, das er je gesehen hat. Und das mag was heißen, bei der Anzahl an Release-Konzerten von neuen Bands, die Ran Huber bereits gesehen hat!
Geheimnisvolle Lyrics und Velvet-Underground-mäßige Sounds treffen auf ausgefeiltes Songwriting-mit-Pop-und New-Wave-Appeal. Dazu der androgyne und eindringliche Gesang der Sängerin und Gitarren-Magierin NETA POLTURAK, die derzeit in Tel Aviv lebt, nachdem sie eine Zeitlang in Berlin wohnte, wo sie Eleni Poulou kennenlernte. Eleni, die bei MOON GEAR Bass spielt, war zuvor 20 Jahre lang Mitglied bei THE FALL (Songwriting, Keyboard, Management), vorher spielte sie bei der legendären Kölner Band Zen Faschisten ( um Tomy Lobotomy), und – aktuell – neben MOON GEAR auch noch bei NOHENOSHE.
Bei “Ich brauche eine Genie, Vol 8” gaben MOON GEAR letzte Woche ein hyperaufregendes Konzert, das die zahlreichen Anwesenden mit offenen Mündern zurückließ! Auch wir standen in der ersten Reihe und starrten gebannt auf die Bühne, Neta hatte auf einem “Fender Twin Reverb”- Amp bestanden (Eleni auf ZWEI Bass-Amps!! 😉 ) und geschätzt dreißig Effektgeräte ausgepackt (ich musste unweigerlich an Lou Reed denken, der ja auch zugleich SOUND und SONG-Fetischist war, was ja gar nicht so häufig vorkommt; und zudem, ähnlich wie Neta, ein distanzierter und gleichsam emotionaler Entertainer). Zwischen Pop-Gesang, Punk-Murmeln und Wispern orderte sie stilecht Whisky auf die Bühne! Toll war auch Eleni an Bass, Backing-Vocals und Vocals beim “Krähe”-Songs (mit griechischen Lyrics) und das neue Bandmitglied Roy am Schlagzeug. Sie harmonierten perfekt und keiner merkte, dass diese drei erst ein paar Tage vor dem Auftritt bei “Ich brauche eine Genie” zum ersten Mal gemeinsam geprobt hatten. Alle, mit denen man danach über den Abend sprach, flüsterten geradezu ehrfurchtsvoll den Namen der Band.
In einem Wort, wir hatten es geahnt: MAGISCH! Und Grund genug, Eleni und Neta unseren Fragebogen zu schicken!
1) Zunächst einmal, und auch wenn es eine eher banale Frage ist: ihr habt den hübschesten, poetischsten Bandnamen der Saison. Moon Gear heisst sowas wie: Gangschaltung für den Mond. Was bedeutet das und wie seid ihr darauf gekommen?
Eleni und Neta: The moon is a very important observer friend!
2) Eleni Poulou und Neta Polturak, wie habt ihr euch kennengelernt und wie kam es, dass Eleni bei Moon Gear eingestiegen ist? Gibt es sowas wie einen musikalischen Kopf der Band oder entscheidet ihr gemeinsam mit dem dritten Mitglied Eilon über den Sound?
Eleni: Eilon kept telling me about this friend of his who was an amazing guitar player and songwriter. We met in Ohm and she said she was late because she had to finish masturbating, I found that very endearing. So we became friends instantly.
3) Wie macht ihr musikalisch weiter, wie kommt ihr zusammen, jetzt wo Neta wieder nach Tel Aviv zurückgezogen ist, weil sie in Berlin keine Wohung gefunden hat? Ich habe nämlich gehört, ihr nehmt gerade in Berlin ein neues Album auf…
Wir kriegen das hin! Wir werden nach dem Auftritt bei Genie in Berlin ins Studio gehen…
4) Eure Musik ist sehr eigenständig und sehr hypnotisch. Seid ihr eher Sound oder eher Songtüfftler*innen? Also entsteht das alles eher auf der Ebene einer Sound oder einer Songidee, oder kann man das so nicht voneinander trennen
Eleni: They come together. Sound is very important…Neta schreibt die Songs und wir beide machen uns wirklich viel Gedanken um den Sound.
5) Elli, du hast im RadioEins Interview gesagt, dass es dich auch gereizt hat bei Moon Gear mitzumachen, weil du die Songtexte von Neta so schätzt. Heißt das, dass Texte bei euch ein wichtiger Bestandteil sind?
JA!
6) Kannst du nochmal was zu diesem großartigen Song über die Krähe sagen, den ihr zu radioeins mitgebracht habt? In eueren Liedern scheinen Tiere eine wichtige Rolle zu spielen…
I love rabbits. That song is also about humans that are like animals. And humans that have left this earth…I still cry sometimes when I sing it. The story of 5 people is in that song. Reveal your true nature. Be sweet if you want to.
Eleni und Neta beim Soundcheck @Kantine/Berghain
7) a Elli, du warst 20 Jahre lang Mitglied bei den legendären The Fall und hast die ganze Zeit in England gelebt. Was hast du aus der Zeit bei The Fall mit in die Musik von Moon Gear genommen? The Fall hatten ja immer weibliche Members, die auch maßgeblich an der Musik beteiligt waren- hast du das auch als empowernd empfunden? Hast du das Gefühl, dass dein Anteil an der Band genug gewürdigt wurde, z.B. vom Publikum oder von den Medien?
7 b ) Du hast gesagt zurück nach Berlin zu kommen sei ein Kulturschock gewesen. Worin genau bestand dieser Kulturschock und bist du mittlerweile hier auch „angekommen“, wie man so schön sagt.
Berlin hatte sich sehr verändert — zum Guten finde ich, es ist eine freundlichere Stadt geworden als in den 90ern.. natürlich haben wir viele Möglichkeiten nicht mehr, man kann nicht einfach schnell ein Konzert organisieren wie ich es früher im Ex Kreuz Club bei Bärbel‘s Burn Out machen konnte oder in der Maria… oder einen Laden aus dem Nichts aufmachen wie damals das Paparazzi.
8) Wir kennen uns ja noch aus alten Kölner Six Pack Zeiten. Gibt es in Berlin einen Laden, der vergleichbar mit dem Six Pack ist oder gab es einen solchen Laden in Manchester? Oder war das Six Pack einmalig, weil sich dort einfach immer die ganze Szene getroffen hat und man nie woanders hingehen musste, wenn man nicht wollte?
Das Six Pack war besonders. In der Tat. Es gab noch einen Laden der länger auf hatte, wo man verweilen konnte, nachdem das Six Pack zumachte… man hatte was gemeinsam – nämlich Bindehaut-Entzündung durch den Ventilator.. . so wusste man doch ob jemand da gewesen war. In Manchester gibt es weniger Bars, also war man im Gullivers oder Castle, gegenüber. Oder in Pubs. Ähnlich: auch Klüngel, aber schlechtere Musik und Rauchverbot. In Berlin hat man ja auch seine externen Wohnzimmer, aber so viel mehr Auswahl…
Kerstin und Eleni beim Soundcheck an der KantineBerghain-Bar! Eleni lauschte aufmerksam dem Raum-Sound; ob bei Neta genug Hall auf dem Mikro ist.
9) Was macht eigentlich deine damalige Band, die Zen Faschisten, habt ihr euch aufgelöst? Wenn ja, warum? Wie geht es deinem neuen Projekt NOHE NOSHE . Ihr habt demnächst einen Auftritt in London, wie kam es dazu?
10) Und zum Schluss noch drei unserer Standardfragen: Sollte der Kapitalismus abgeschafft werden?
Neta: Not everything is political. Magic is not political. Capitalism should find its rightful place.
11) Was sind Eure Lieblingsplätze: im Sommer?
Neta: Home! Eleni: “Haus der Kulturen der Welt”… with friends and the rabbits there.
12) Und im Winter?
Neta: Home or out in the rain.
Eleni: with friends somewhere warm… will make you a list.