von Kerstin 

Ich stehe immer noch unter Schock!

Wenn ich noch einen Auslöser gebraucht hätte, um den nervenden Hype um Billie Eilish mal so ganz spielverderberisch in Frage zu stellen, dann ist es dieser: Die kalifornische Sängerin wurde “auserwählt”, das Titellied für den im April erscheinenden James Bond-Film “Keine Zeit zu sterben”  (mit Daniel Craig in der Hauptrolle) zu schreiben. Schade nur, dass sie das Spiel mitspielt – und sich auserwählen ließ…

Wenn sie auch nur annähernd so cool wäre, wie ihre zahlreichen Fans und all die Musikjournalist*innen da draußen, behaupten (letztere kriegen sich ja nicht mehr ein über dieses angebliche “Wunderkind” mit seinem Debut-Album “When We All Fall Asleep, Where Do We Go?”) dann hätte sie diesen Auftrag in Bausch und Bogen ablehnen müssen! Aber nein, die tolle, rebellische Billie Eilish bezeichnete es vielmehr als “große Ehre” den Song singen zu dürfen: James Bond sei „legendär“ –  und die „coolste Filmreihe, die es jemals gegeben hat“. „Ich stehe immer noch unter Schock“ hat sie, laut “Welt”, dazu gesagt. Für die Feministinnen unter ihren Fans sind aber genau diese Aussagen ein Grund, nun ebenfalls unter Schock zu stehen.

Und auch, wenn ich keinen Zweifel daran hege, dass das Lied, das Billie Eilish ( zusammen mit ihrem Bruder Finneas O`Connell ) geschrieben hat, womöglich ganz okayer Durchschnitt werden wird (wie alles von ihr),  so möchte ich doch einfach nur mal festhalten: Für James Bond singen gehört in einer Zeit, in der die (pop-) feministische und post-koloniale Bewegung so viele Fortschritte gemacht hat, und in der andererseits Vertreter einer weißen, toxischen Männlichkeit wie Trump an der Macht sind, die alle Hebel in Bewegung setzen, diese Fortschritte wieder rückgängig zu machen, nun wirklich nicht zu den coolsten Tätigkeitsfeldern einer aufstrebernden Popmusikerin!  Viel wahrscheinlicher ist nämlich, dass die Bond-Macher*innen versuchen sich via Billie Eilish an die jungen Frauen* ranhängen, um das ramponierte Image ihres Serienhelden wieder aufzupolieren.

Ja, okay, Garbage haben es auch getan, aber das war vor fast 20 Jahren, und die Sängerin Shirley Manson hatte zu diesem Zeitpunkt schon erheblich mehr sexistischen Gegenwind abbekommen. Vielleicht wollte sie beweisen, dass sie keine Spielverderberin ist und auch das Geld, das sie damit verdient hat, sei ihr gegönnt, zumal  “The World is not enough” sogar einer der großartigsten Garbage-Songs überhaupt geworden ist.

 

 

Garbage kann man das verzeihen, Shirley Manson war Feministin in einer Zeit, in der das F-Wort, selbst in der Popkultur, noch sehr verpönt war. Billie Eilish eher nicht: Man sollte sich die Popstars, die man aufgrund eines Albums hoch schreibt, doch mal genauer anschauen. Billie Eilish hat den Test fürs Erste nicht bestanden.

Viel besser gefällt mir, die ich James Bond noch nie leiden konnte, was die britische Journalistin Laurie Penny in ihrem Buch “Bitch Doktrin” über den britischen Superagenten 007 schreibt. Schade eigentlich,  dass Billie Eilish das nicht gelesen hat. Billie Eilish hat doch genügend andere Möglichkeiten, um zu Ruhm und Geld gekommen, als diesem öden Serienhelden einen toleranten, jungen und liberalen Einzug ins Jahr 2020 zu ermöglichen. Kein Wunder nämlich, dass die Meldung lautet: “Die 18-jährige Sängerin ist die jüngste Musikerin, die jemals einen James-Bond-Song geschrieben und aufgenommen hat, wie die Produzenten des Agentenfilms am Dienstag mitteilten.” (Die Welt)

“I`ll let you play the role” (Billie Eilish)

Na dann: Viel Spaß bei der Weitergabe des Rape Culture-Helden an die junge Generation! Um ein Arschloch sein zu dürfen, muss man sich heute von jungen Frauen* beglaubigen lassen, dass man ein total cooler bad guy  ist. Wenn das feministischer Fortschritt anno 2020 ist, dann geht er nicht weit genug!

Wir fallen nicht darauf rein. Lasst uns in Ruhe mit eurem blöden James Bond!!! Und mit eurer völlig überschätzten Billie Eilish: hat sie auch nur ein einziges neues Wort, einen einzigen neuen Gedanken oder Sound-Schnipsel  in die Popkultur gebracht? Nicht, dass ich wüsste.

Laurie Penny über James Bond:

“Problematisch an Bond finde ich, dass er angeblich der Gute ist. Bond ist ein gestörter Vergewaltiger, der in staatlichem Auftrag Leute umbringt – aber ein Antiheld ist er trotzdem nicht. Er ist nur ein Held. Wenn unser Kind uns erklärte, es wolle später mal werden wie Hannibal Lecter, wären wir beunruhigt. Bond dagegen wird akzeptiert, und an Halloween verkleiden sich Heerscharen kleiner Jungs mit rückhaltloser Unterstützung ihrer sie liebenden Eltern als 007. Bond ist ein Held, weil er auf unserer Seite kämpft. Genau so arrangieren sich auch die meisten westlichen Nationen und besonders die britische mit ihrem kolonialen Schreckenserbe – in stiller Verlegenheit, aber durchaus fähig, sich mit Gewalt zu verteidigen.

James Bonds Dilemma ist eine Märchenversion des Dilemmas der meisten Männer, die mit den Filmen groß geworden sind. Sie haben sich gefragt, wie es wohl wäre, wie dieser Typ zu sein, denn offenbar alle toll finden, nicht trotz der schrecklichen Dinge, die er tut, sondern gerade deswegen. Wer sich im richtigen Leben auch nur annähernd so benähme wie James Bond, würde geächtet/und/oder verhaftet. Und das ist das Problem. Bond gilt immer noch als ein Held, aber in der Realität würden wie unseren Freunden abraten, einen wie ihn zu ihrer Party einzuladen. “

Laurie Penny in dem Kapitel “Kultur” – Die Tragödie des James Bond aus “BITCH DOKTRIN”- Nautilus Flugschrift (2017)

P.S. Und da ich gerade dabei bin, in Worte zu fassen, was mich an Billie Eilish stört, hier mal der Text ihrer Hitsingle, mit der sie den Durchbruch geschafft hat. Eigentlich muss man sich da ja nicht mehr wundern, dass sie perfekt dafür war, den Bond-Song zu schreiben. Sie gibt halt gerne Kontrolle ab, an diese verrückten, toughen Typen… Vielleicht sehen wir dann ja eines Tages SIE in der Rolle des James Bond. Sagt jetzt nicht, das wäre besser…