Kolumne von Kersty
Eigentlich wollte ich heute eine Manic-Mittwoch-Kolumne über ein sehr erntes Thema schreiben. Zwei Issues hätten sich da für mich angeboten. Zum einen die Frage: “Was ist eigentlich autoritär?” , da man ja in der Corona-Pandemie immer wieder mit der Auffassung konfrontiert wird, dass man, wenn man für sich selbst leicht übervorsichtige Hygienekonzepte durchsetzt, schnell mal unter Verdacht steht, ein autoritärer Spießer zu sein. Der Text wäre dann darauf hinausgelaufen, zu sagen, dass es nicht unbedingt autoritär ist, eine sinnvolle Regel einzuhalten, sondern, dass zu dieser Charaktereigenschaft viel eindeutiger die Weigerung gehört, sich auf Neues einzulassen und alte Gewohnheiten auch einfach mal in Frage stellen zu können.
Ein weiteres Thema für den Manic Mittwoch, um die Anti-Gesundheits-Spießer wachzurütteln, entdeckte ich dann bei der Lektüre von Spiegel Online: Dort ging es um die 127.000 Leute im Jahr, die hierzulande am Tabak-Konsum sterben. Und dass in Deutschland viel weniger als in anderen Ländern getan wird, um auch Jugendliche vor den Gefahren des Rauchens zu warnen. Grund dafür sei u.a. die Tatsache, dass die Zigaretten-Lobby die Parteitage von CDU und SPD mitfinanziert. Wie gesagt, das wären doch zwei schöne, ernste Texte gewesen.
Dann aber geriet das spielende Kind in mir in einen nervenzusammenbruchs-ähnlichen Strudel der Gefühle. Und darum solls ja bei dieser Manic-Mittwoch-Kolumne gehen; um die Kreisläufe des Wahnsinns in mir drin. So richtig aufgeregt hatte mich die Sache mit dem Zigarettenrauchen aber gar nicht, weil ich mich darüber schon seit Jahren aufrege. Und auch die lästige Diskurs-Verschiebung des Begriffs der Autorität ist längst nichts Neues mehr.
Eine echte Emotion kam allerdings in mir hoch, als ich auf der Suche nach einem bestimmten Foto, das mich mit 2 Freundinnen zeigt, auf Bilder stieß, auf denen ich blond war. Es gibt sehr, sehr viele blonde Fotos von mir, im Netz, bei der Google-Bilder-Suche. Eigentlich fast ausschließlich, und ich musste kurz schlucken. Sah schon gut aus, dachte mein erwachsenes vernünftiges Ich, das seit meiner krassen Nickelallergie vom letzten Jahr (die mich dazu zwang, die Haare kurz zu schneiden), kein Bock mehr hat auf diese ständige blonde Wasserstoff-Peroxid-Chemie-Keule, die die Haare bis in die Wurzeln kaputt macht.
Blondes have more fun? Pah!
Denn was viele Fans von mir nicht wissen: ich hab da ganz schön viel mit Extensions gearbeitet, bei so manchem Foto, so `ne volle Mähne kriegt man ja auf Dauer (und wenn man sich die Haare blond färbt, seit man ein Teenager ist) gar nicht unbedingt hin. Das hab ich jetzt nicht mehr nötig. Jetzt sind sie von Natur aus voluminöser und dicker.
Trotzdem wurde ich dann doch ein bisschen traurig, als ich all die schönen Bilder gesehen habe. Es wäre so, so einfach für mich, JETZT wieder so auszusehen. Ich müsste nur morgen schnell zu dem Friseursalon um die Ecke, in dem man mich lustigerweise seit 10 Jahren unter dem Namen “Greta” führt. Ich habe ihnen nie erzählt, dass es der Nachname ist, und wie man ihn wirklich schreibt. Dafür ging immer alles zu schnell. Und genau genommen waren es die Friseurinnen dort vor Ort, die mir immer wieder neu den Selbstbetrug ermöglicht haben. Ich immer so: “Du weißt ja schon, ich will blond, aber so, dass es nicht so giftig ist. Ihr habt doch da mal so was zusammengemischt, was irgendwie Natur war. Oder so.” “Ja, ja,” sagten sie dann immer, “keine Sorge, Greta, das machen wir wieder so,” während sie mir dann schon die Haube umlegten. “Wir haben nicht so hohe Prozentzahlen an Wasserstoffperoxid.” Dann bekam ich auch schon meinen guten Zimt-Kaffee und die GALA, und die Verdrängung nahm ihren Lauf. Und es kostete auch nur 90 Euro 😉 …
Aber nein, ich will ja gar keine blonden Haare mehr (ob sie in dem Friseursalon meine Karteikarte noch haben?). Zwar sehe ich meiner Zwillingsschwester jetzt noch ähnlicher, but that`s life. Und seit Trump Präsident war, konnte ich das blond eh nicht mehr sehen. Ich erinner mich noch an die Titelstory im Spiegel, wo nur sein Schopf abgebildet war, wie eine brennende (Zeit-)Bombe, oder was auch immer das berühmte Trump-Bild aussagen sollte.
Und alle Titelstories im Spiegel und STERN symbolisierten dann das weiße Amerika mit Fotos von blonden Frauen mit Cowboyhut. “It`s such a shame”, wie die englische Mutter von Campino vielleicht gesagt hätte. Dessen Biografie ich gerade mit größter Begeisterung lese. Und war der nicht früher auch mal blond? Aber echte Punks können eben auch mal eine Veränderung zulassen. Deshalb hab mir schnell ein paar aktuelle Fotos von mir herausgekramt, auf denen ich mit brünetten Haaren irgendwie blond aussehe… Oder verrucht mit Hut. Und das ganz ohne Kippe im Mund.
Man muss die Mythen feiern wie sie fallen! Gewohnheit ist schließlich autoritär …