Magisch!
Vor etwa anderthalb Jahren drückte mir ein Freund eine CD in die Hand und meinte nur: »Du wirst sie lieben!« Und ich schaute skeptisch. Denn Cover und alles wirkten ein bisschen altpunkmodisch.
Dann hörte ich ›Sing Sing Death House‹ von den Distillers, dieser L.A.-Band aus dem Hellcat-Umfeld – und es war der Anfang einer Liebe. Tatsächlich! Diese kratzige, kräftige Stimme von Sängerin Brody: mit so einer erhabenen Tiefe hinein in Traumata und heraus in einen Reality-Traum. »We will rise up from the death / we become the living.« Wir sind gekommen, den uns gestohlenen Atem zurückzuerobern. Mit ganz viel Sinn für ein verlockendes Drama aus Melodierockern und Krachbrocken, was macht, dass man denkt, man hätte noch nie diese eher konventionellen, eingängigen Punk-Riffs gehört. Und wenn man Brody und die anderen live sieht, dann denkt man: Diese Musik stirbt nie! Weil die menschliche Energie zur Freiheit drängt.
Auch auf ihrem neuen, schlichtweg großartigen Album ›Coral Fang‹, ihrem Major-Debüt, wissen sie wieder ganz besonders gut, wie man mit effektiver Symbolik einschneidend verfährt, ohne zum Klischee zu werden. Immerzu schreit es einem entgegen: »Death.« »Blood.« »Hunger.« »Sex.« Magisch! Einzig stört, dass die gemalten nackten Frauen im Booklet nie einen Kopf haben. Warum? »Hat keinen besonderen Sinn, ist halt Kunst«, sagt Drummer Andy lapidar. Und Brody Dalle, ehemals Armstrong (für weniger Eingeweihte: Sie war die Ehefrau des gleichnamigen Rancid-Sängers), hat ebenfalls nicht allzu viele Worte dazu übrig (es ist aber auch schon spät), sagt dafür aber gute Sätze wie: »Es nervt mich, wenn Sängerinnen immer nur mit Sängerinnen verglichen werden. Ich bin mehr von Kurt Cobain beeinflusst als …« Und dumme Sätze wie: »Was brauchen wir als Frauen andere Frauen auf der Bühne. It’s the music that inspires me.« Egal. Ich höre trotz solcher Ausrutscher weiterhin gerne die Distillers.
(Sandra, INTRO, 2004)