ANTIFUCHS

von Kerstin

Seit mehreren Wochen nun höre ich schon „Stola“ – das aktuelle Album von Antifuchs – immer wieder und bin immer noch ratlos. Generell ist es mir ja sympathisch was sie macht, wie sie sich kleidet, wie sie rappt, ihre Skills, ihr Style. Das Cover, die Fuchsmaske. Ich gönn ihr nur das Beste! Die Songs kicken.

Aber zwischendurch

Ist es auch so atemberaubend sexistisch, dass ich immer wieder auf Pause drücken und kurz durchatmen muss und dann erst weiter hören kann. Ich stehe wirklich auf female Rap (oder wie immer eine*r es nennen will oder nicht nennen will) und soooo viel richtig originelle Rapperinnen gibt es ja nun auch nicht in Grrrlmany – und das Anti-Alles-Motto von Antifuchs mit seinem Punk-Anarcho-Touch gefällt mir.

Anspieltips: Flyin Fuck, Hombre, Mama

Es macht auch einfach Spaß einer Rapperin zuzuhören, die alles aus dem Weg räumt, was sich ihr in den Weg stellt, auch die Reime sind tight… und trotz der Kälte ist da ja auch noch so ne Emotionalität drin, die nicht nur kalt ist.

Aber eins nervt, es nervt wirklich: Hey, wir haben das Jahr 2018, und auch wenn der Sound der norddeutschen Rapperin mit kasachischen Wurzeln amerikanisch klingt, so ist ihre Attitude doch noch lange nicht im Hier und Heute des Bewusstseins der meisten amerikanischen Rapperinnen angekommen, wenn sie in Interviews so Sätze sagt wie: „Ich habe mich schon immer quer durch alle möglichen Hip Hop-Stile gehört und glaub, da war ich auch schon immer sehr Frauen-untypisch. Gerade bei „frauenfeindlicheren“ Texten fühle ich mich nicht angegriffen, da ich mich auch nie zu den „Bitches“ gezählt habe, die sich eben dementsprechend benommen haben. Ich konnte eigentlich schon immer gut differenzieren, wer gemeint ist und wer nicht.“

Aua

Da fallen mir doch sofort ein paar SlutWalk-Grundsätze ein: „Solidarität mit den als Schlampen bezeichneten Menschen“ , oder so.

Meint Anti-Fuchs etwa, dass Menschen, die als „Bitch“ bezeichnet werden, es „verdient“ haben? Dass sie sich wirklich daneben benommen haben? Ist es nicht vielmehr so wie mit allen personengruppenbezogenen Schimpfworten: sie werden willkürlich verteilt, weil es dem Sprechenden im Sprechakt eben in sein Machtkalkül passt? Oder weil eine als Frau geltende Person sich etwas genommen hat, was ihr z.B. von der Gesellschaft nicht zugestanden wird?

Aber weiter geht’s im Interview mit Antifuchs, das sie 2015 anlässlich ihres Debut-Albums dem Magazin „Rap-N-Blues“ gegeben hat. (Dass sie diese Ansichten seitdem nicht wesentlich revidiert hat, meine ich aus ihren aktuellen Songtexten herauszulesen.)

„Weibliche Künstler konnten mich irgendwie nur im Ami-Rap voll überzeugen. In Deutschland hab ich hier und da gute Tracks gehört, aber auf Dauer hat bisher keine meinen eigenen Hörer-Ansprüchen genügt. Die Themen sprachen mich zu einem großen Teil auch einfach nicht an.“

Schade nur, dass sie offenbar bisschen Nachhilfe in Sachen Feminismus, the american way, braucht. Also: es gibt einen internationalen, von vielen, vielen Menschen geteilten intersektionellen Feminismus, auch im Rap. Missy Elliot hat`s schon vor 18 Jahren vorgemacht, wie Frauen-Solidarität geht, damals war es echt eine Sensation, dass eine Rapperin solidarisch ist, mit ihren Kolleginnen (siehe den Smash-Hit „Lady Marmelade“, ihre Unterstützung von „Tweet“ und alle möglichen Interviews, die Missy Elliot zum damaligen Zeitpunkt gegeben hat) und nicht einfach nur die One-Woman-Narzissmus-Show durchzieht; dass sie über die Hindernisse als Frau* in einer sexistischen Gesellschaft sogar GERNE redet und sich sogar als Feministin bezeichnet.

Es ist also keine Schande über Gender zu reden. Es ist auch nicht egal, es ist sogar ziemlich wichtig!

Heute ist female Rap und R&B (auf sexpositive Weise) meist ziemlich intersektionell-feministisch auf der Höhe der Zeit, das reicht selbst bis in die erste Pop-Stars-Riege (Schlag nach unter:

Beyoncé).

Die neunziger Jahre mit so Rapperinnen wie Foxy Brown (das erklärte Vorbild von Antifuchs) und Lil Kim (das erklärte Vorbild von Schwesta Ewa) sind ja nun doch schon, gelinde gesagt, bisschen lange her… aber klar, Vorbilder sucht man sich nicht, die findet man. Das kann man nicht ändern, was einem unmittelbar einleuchtet, und was nicht.

Der nun folgende Songtext „Wie ein Mann“, den ich hier mal reinkopiere (nur den Anfang des Textes, der ist ja schon gruselig genug) wirft mal wieder die Frage: was ist eigentlich mit so vielen in D`schland aufgewachsenen Rapperinnen los? Warum müssen so viele von ihnen andere Frauen („Nutten“. „Transen“, „Bitch“ und „das Weibliche an sich“) jämmerlich herabsetzen, um sich selbst als selbstbewusste Frau zu positionieren? Von den Medien werden sie als die frechen, femininen Hoffnungen des Deutschrap gefeiert, aber: bricht Antifuchs wirklich mit Erwartungen und gängigen Klischees, wenn sie für sich reklamiert, dass sie „ein Mundwerk hat wie ein Mann“ und „die Nutten für sich tanzen“ lässt??? Sind das nicht die gängigen Klischees?

Die Transfeindlichkeit ist zum Kotzen (zumal und vor allem, weil sie sich bestimmte Attribute des Transsexuellen ja auch aneignet) und es ist an Naivität und Blödheit kaum zu überbieten, zu glauben, man könnte sich einfach von dem distanzieren, was „die Männer“ unter „Bitch“ verstehen – und schon wäre man aus der Diskriminierungs-Nummer wieder raus. Ist ja egal, wenn Menschen mit der Zuschreibung „Bitch“ unten gehalten werden, man muss sich nur auf die Seite der Männermacht stellen und selber so werden „wie ein Mann“, dann darf man auch „Bitches“ piesacken. (So interpretiere ich zumindest viele ihrer Lyrics.)

Sorry, ich hätte das Album gerne noch mehr gefeiert, es sind auch Stücke drauf, die echt gut sind, aber die Grund-Attitude – das „Weibliche“ muss abgewertet bleiben, das „Männliche“ wird solange kopiert, bis man selber auch so ist, bis man sogar besser ist „als ein Mann“ – entspricht wirklich nicht meinem popfeministischen Selbstverständnis.

Am blödesten find ich sogar den Satz „Ich bin loyal wie ein Mann“ – klar, Männer sind ja auch das loyalere Geschlecht, wie alle Kinder von alleinerziehenden Müttern nur bestätigen können…

Ich höre dieses Antifuchs Album,und ich laufe durch die Straße und ich denke: die Gesellschaft muss verbessert werden, die Chancengleichheit von „Frauen“. Klar, es muss auch über die Konstruktion „Mann“ und „Frau“ geredet werden. Aber ich als Frau finde nicht, dass etwas an mir „verbesserungswürdig“ ist. Ich muss nicht erst noch besser werden, ich muss nicht erst noch „wie ein Mann“ werden, um loyal zu sein und meine Meinung zu sagen. Das konnten Frauen nämlich schon immer, auch wenn es ihnen von der Gesellschaft vielleicht nicht immer zugestanden wurde.

Ich freue mich schon auf den Moment, wo auch Deutschrapperinnen im 21. Jahrhundert ankommen, wenn sie schon so auf Ami-Rap stehen. (Ich hab gerade die tolle Lena Stöhrfaktor gehört. Es gibt Hoffnung, dass es das alles schon gibt, was auch Musikerinnen wie „Miss Platnum“ oder „Finna“ zeigen.)

P.S. Und bitte erklärt mir jetzt nicht, dass „das mit den Bitches“ im Rap halt so ist (Smiley) Ich hör das Zeug auch schon seit ich 12 bin.

P.P.S. Ich find den Text ja auch ein bisschen lustig. „Hunger wie ein Mann“ – schwarzhumorig, meinetwegen…

Und hier jetzt also der Songtext und die Videobeispiele

„Wie ein Mann“ von Antifuchs

„Und du denkst dir wieso jetzt die Frau
Ich setzt mich durch so wie ein Mann
Pedaz vertraut mir Joshi’s Beat an weil er wusste das ich’s kann
Nicht wie ne Frau, so wie ein Mann, Bitch
Ich bin Manns genug
Ich ficke locker alles weg mit einem Atemzug
Ich bin Anti, nenn mich Fuchs, so wie ein Mann
Die meisten Rappe zählen für mich schon als Hund und nicht als Mann
Komm wir vergleichen unsern Schwanz
Der Fuchs hat buschig, dick und lang
Und wenn du nicht deinen Mund hälst stopf ich damit deinen Rand
Nicht wie ne Transe, wie ein Mann
Ich bin das Yin und auch das Yang
Shit
Bitches würden töten für den Körper den ich habe
Ich breche mit Erwartungen und gängigen Cliches
Ich definiere das Wort Mannsweib neu und mach das es mir steht
Ich lass die Nutten für mich tanzen
Ich hab ein Mundwerk wie ein Mann
Nicht ein Stück, ich ess den Kuchen ganz
Denn ich habe hunger wie ein Mann, wie ein Mann, wie ein Mann, wie ein Mann“
…

 

Und auch noch ein besserer Song von ihr, die Singleauskopplung „Flying Fuck“